ARD-isten Echo

, 4. März 2010 stories

Für einen Abend verschwindet die Fremdheit, die Entfernung, die zwischen dem kleinen mir und den großen anderen liegt und nur für diesen einen Abend lasse ich zu, dass auch ich dem erliege, was Tag für Tag Millionen von Menschen erwischt: Fernsehen.

Die Scheinwerfer leuchten, es glimmert und glittert, glänzt und leuchtet – alles ist genau so, wie man es erwartet, wenn man an einem Donnerstagabend ARD einschaltet, um die Verleihung des Echos zu schauen. Während andere sich angucken, wie klapperdürre und nur latent hübsche Wesen über einen improvisierten Laufsteg watscheln, um die schielende Heide, den lispelnden Fotografen und den schönlingesken Modejüngling zu beeindrucken, zeigt mein Fernsehgerät das Erste Deutsche Fernsehen an. Die schiefzahnige Sabine Heinrich und der nach Otto-Normal-Verbraucher aussehende Matthias Opdenhövel moderieren das Elend, das mit der wundervollen und anbetungswürdigen Band „The Baseballs“ eröffnet und überraschende Lichtblicke parat hat, die in Form des provozierenden Oliver Pocher über die Bühne rauschen, der kurzerhand von Sido beleidigt wird und Gott, ich bin wahrlich kein Sido-Fan, aber irgendwie hat der Pocher die kleine Klatsche doch verdient, ge? Ebenfalls schön anzusehen: Robbie Williams – besabbert von allen weiblichen Zuschauern – der seinerseits ehrerbietig auf die Knie zu sinken scheint, als ihm unser Titan Oliver Kahn gegenübersteht. Ausgerechnet er ist es, der dem Superstar den Echo verleiht, der ihn nonchalant entgegennimmt, sein kleines Liedchen trällert, das ich nie zuvor gehört habe und bei dem ich doch gekonnt mitsinge, indem ich die wenigen zu erratenden oder zu erahnenden Worte laut betone – Sun, morning, sunrise, mystery – und die anderen talentiert vernuschel. Macht der Kerl ja auch nicht anders, ich könnte ihm glatt Konkurrenz machen.

Der Echo. Schon seit Jahren wird er gefeiert – natürlich ebenso wie der Bambi, der Oscar, die Himbeere und was weiß ich, was es da noch gibt – aber heute, heute beweisen sie es, die Fernsehmacher. Die ARD-isten. Die Götter, die im Ersten – allerersten – Deutschen Fernsehen residieren. Sie beweisen, dass sie etwas können, was sonst keiner kann. Sie lassen Tote auferstehen. Das Publikum versinkt in Stille, starrt auf die leere Bühne, die von einzelnen Leuchten erhellt wird, während die Stimme von Michael Jackson erklingt. War der nicht tot? Ja, war er. Jetzt nicht mehr. Kleine Kinder kommen auf die Bühne, singen, versprühen Freude und Melancholie, ohne genau zu wissen, was sie da tun, ehe das Bühnenbild abrupt wechselt. Tänzer. Als Michael Jackson verkleidete Tänzer. Das Lied, in dem ständig irgendeine Annie vorkommt, erklingt, die Tänzer tanzen den typischen Michael Jackson Tanz und .. fallen tot um.

Ja, die ARD-isten haben tatsächlich gleich zwei Bomben platzen lassen: Kinder und tot umfallende Tänzer. Das kann sonst wirklich keiner. Und doch fühlte ich mich „meinen Stars“ – sagt man das nicht so, wenn es die Stars der eigenen Generation sind, auch wenn man sich ihnen gar nicht verbunden fühlt? – heute ganz besonders nah. Kwasi verbunden. Sie waren direkt um die Ecke, während ich bekwem auf meinem Sofa lag und mich berieseln ließ.

Danke, ARD.