Poetry zum Herbst: Autumn Odyssey

Manchmal stößt man auf Worte, die tief ins Innere dringen. So tief, dass sie zu Bildern werden, tanzen, sich verformen und neue Gedanken anregen. Man vergisst sie nicht und trägt sie Tag ein Tag aus mit sich. Wenn es passiert, dann schreien sie geradezu aus einem heraus. Ja, dann lassen sie sich nicht mehr bändigen. Dann wollen sie hinaus in die Welt und sind reif dafür, geteilt zu werden. Der Herbst mit seiner Nostalgie und dem Gefühl der Vergänglichkeit, lässt solche Poesie ganz besonders reifen. Sei sie in Form von magischen Sätzen oder wundersamer Musik. Nicht alle poetischen Worte und zauberhaften Töne schaffen es, jenes Gefühl auszulösen. Manchmal passiert es. Und dann ist es Zeit die Umarmung jener Poesie mit anderen zu teilen. Es ist Erntezeit.

Danke Kontemporat

Die Füße schieben sich durch den Laub, Ich durch das Dunkel, die Anzahl meiner Klamotten hat sich verdreifacht, es regnet. Noch braune Beine arrangieren sich widerwillig mit kratzenden Socken. Der Görli trieft vor sich hin, die Menschen unterm Plastikdach des Imbiss rücken näher zusammen, kuschelig warm haben es hier nur die Hühner.

Eigentlich sollte ich die Sonne im Herzen haben und den Herbst begrüßen; doch ich weigere mich. Dabei gibt er sich doch so viel Mühe, lässt Betongrau kunterbunt aussehen, Kastanienmänner werden aufgetischt und Kürbissuppe macht mir den Hof.

Doch es fällt mir schwer loszulassen. Ich vermisse das Feierabendbier im Schneidersitz auf dem Rasen. Ich vermisse nur 300 Gramm Kleidung tragen zu müssen und den Geruch des Bodens nach einer Woche Trockenheit. Ich vermisse die Open Airs, die Rad Touren, die Picknicks, das Späti-Abcornern und stelle fest, dass ich mich wie eine Alte sinierende Frau anhöre.

Ich stampfe auf den Boden, die Pfütze umarmt mich untenrum und frage mich wieso es so ist, dass der Sommer das Jahr rückblickend erzählen darf und alle anderen Jahreszeiten kleinlaut daneben stehen. Wieso fühlt sich der Beginn des Herbstes so schwer an? Wieso habe ich das Gefühl, alle Abenteuer, die ganze Liebe, alles Testosteron muss im Sommer verbraucht worden sein? Ein Viertel des Jahres in Nostalgie des Sommers schwelgen, dazu habe ich gar keine Zeit! Schluss damit! Ich plädiere für das demokratische Erleben und eröffne hiermit die Herbstaison und die Jagd nach Erleben. Schließlich bin ich diejenige, die entscheidet, ob ich im Herbst nur nass werde oder den Regen spüre.

Wort & Ton by Kontemporat
Fotoserie „Ballhaus Grünau“ by neleH Scatta