Sicily part I: Living on a volcano

Bevor ich euch in den nächsten Zeilen mit auf eine ganz besondere Reise in den Süden nehme, möchte ich an dieser Stelle betonen, wie viel es mir bedeutet über meine ehemalige Wahlheimat Sizilien zu schreiben. „Dass ich Sizilien gesehen habe, ist mir ein unzerstörlicher Schatz auf mein ganzes Leben“, schrieb einst Johann Wolfgang von Goethe in einem seiner Briefe. Und wenn das Universalgenie deutscher Literatur von einem Ort so inspiriert war und ihm so viel Bedeutung beimaß, dann liegt das wahrscheinlich an dem Zauber den die größte Insel im Mittelmeer umgibt. Drei Wochen reiste ich mit Freunden quer durch das Land und entdeckte auf meinem Trip nicht nur magische Orte voll unberührter Natur, sondern ließ mich von jahrtausendealter Geschichte, der Gastfreundschaft der Menschen und dem Charme mediterraner Architektur in fremde Welten entführen.

IMG_4701-2

Wenn der Vulkan ruft…

Die erste Etappe unserer Reise war ein wahres Abenteuer. Einmal auf Sizilien gelandet, verließen wir die Perle im Mittelmeer auch schon wieder, um einen Abstecher nach Stromboli zu wagen. Die nördlichste und damit auch isolierteste der sieben Äolischen Inseln, faszinierte mich seit Jahren und ich wollte herausfinden, wie es sich anfühlt auf einem der aktivsten Vulkane der Welt zu leben. Die nächsten Tage sollten dieses Geheimnis lüften. Mit dem Tragflächenboot Aliscafo ging es in fünfeinhalb Stunden 275 km raus auf’s Meer und weit weg von der sizilianischen Küste.

IMG_4623

In den vier Jahren, in denen ich auf Sizilien lebte, habe ich nie einen Fuß auf Stromboli gesetzt. Viele der alten Sizilianer berichteten mir jedoch von einem „Garten Eden“, den man einmal im Leben gesehen haben muss. Nachdem die stürmische Überfahrt, die nichts für einen schwachen Magen ist, überstanden war, begrüßte uns die Vulkaninsel im Dunst der untergehenden Sonne: Verträumte Fischerboote, gestrandet im schwarzglitzernden Sand, eine Galerie aus weißen Häusern im Hintergrund und eine ausgelassene Atmosphäre am Hafen, belebt durch die Musik der Akkordeonspieler. Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich nur über das Meer gedüst bin, oder gleich eine Reise zurück in die Zeit gemacht hatte. Allein die vereinzelten Touristen auf dem Bootssteg und die Golfcars, die als Minitaxis verkleidet waren, bestätigten mir, dass ich mich noch im 21. Jahrhundert befand. Autos gibt es auf Stromboli nicht. Die gesamte Insel steht unter UNESCO Weltnaturerbe und die kleinen Gassen sind viel zu eng für einen dicken Mercedes. Beliebt sind dagegen die gemütlichen Ape auf drei Rädern und eine Fülle knatternder Vespas.

IMG_4558 IMG_4573

Zu Hause beim Gott des Windes

In den folgenden Tagen wurden wir völlig vom Inselleben absorbiert. Im Reich des griechischen Gottes des Windes, Aiolos, begreift man schnell die Magie aus den Homer und Co. die Mythen längst vergangener Tage schufen. Angepasst an den langsamen Lebensrhythmus der Insel verbachten wir unsere Zeit mit endlosen Spaziergängen durch die Gassen des 500 Seelendorfes oder vertrieben uns die Stunden in der Badebucht der „Grotta di Eolo“, welche einer kleinen Oase ähnelte. Überhaupt wirkte ganz Stromboli wie ein einziges Paradies. Explosionen an Farben und Kontrasten soweit das Auge blicken kann und dazu ein Berg, der alle 15 Minuten mit einem lauten Rumoren daran erinnert: „Ich lebe!“ Das Spektakel der Vulkanausbrüche aus nächster Nähe zu sehen, wollten wir uns natürlich nicht nehmen lassen. Leider war aufgrund der Hyperaktivität Strombolis der sonst übliche Zugang auf 900 Meter zum Krater untersagt: Mutig wie wir sind, erklommen wir jedoch eine Teilstrecke zur sogenannten „Sciara del Fuoco“ (Feuerrutsche) bis auf 450 Meter über dem Meer.

IMG_4605 IMG_4626 IMG_4640 IMG_4629

Pünktlich zum Sonnenuntergang führte uns ein Panoramaweg immer näher an den Feuerschlund des Berges heran. Stromboli, von den Inselbewohnern voller Hochachtung auch einfach nur „Iddu“ („Er“) genannt, bebt bereits seit rund 10.000 Jahren vor sich hin. Belohnt wurden wir mit einem spektakulärem Sonnenuntergang über dem Meer und mehreren überwältigenden Eruptionen. Mit dem Einzug der Dämmerung begriff man dann auch die Feuergewalt des Vulkans. Alle 15 Minuten bescherte er uns ein Spektakel an leuchtend roten Explosionen am Nachthimmel. Mit Taschenlampen bewaffnet, wanderten wir in der Nacht zurück zum Ferienhaus, das für jeden Stromboli-Besucher ein echter Geheimtipp ist. In der „Casa del Sole“ wird einem leicht gemacht, die Seele in der Hängematte baumeln zu lassen und zu jeder Tages- und Nachtzeit auf den Terrassen des Gemeinschaftshauses in geselligen Runden zusammenzusitzen, zu kochen und zu musizieren. Mit viel Liebe zum Detail fühlt man sich hier nach kurzer Zeit zu Hause.

IMG_4568 IMG_4569 IMG_4752

Colin Farrell und andere Leckereien

Auch kulinarisch hat die Vulkaninsel einiges zu bieten: Im „Da Zurro“ oder dem Hafenrestaurant „Punta Lena“ erfährt man eindrucksvoll was sizilianische Küchenraffinesse bedeutet. Tagesfrischer Fisch wie Rotbarbe, Goldbrasse oder gegrilltem Schwertfisch sind hier echte Spezialitäten. Ein Glas des inseltypischen Dessertweins Malvasia und ein hausgemachter Limoncello fahren nach einem Tag voller Genuss und Entspannung dann auch richtig gut in den Kopf. Wer dagegen ein Eisfan ist, sollte unbedingt in der Bar „Da Ingrid“ eine Granita ai Gelsi probieren. Die Bar, die in Erinnerung an Roberto Rosselinis Film „Stromboli“ mit Ingrid Bergmann benannt wurde, ist bekannt für das landestypische Sorbeteis auf Basis von Maulbeeren. By the way: Rosselini war nicht der letzte große Regisseur der den Charme Strombolis als Filmkulisse für sich entdeckte. Wir hatten das Glück dem neuen Dolce & Gabbana Werbespot des oscarprämierten Regisseurs Paolo Sorrentino („La grande bellezza“) mit dem Frauenschwarm Colin Farell beizuwohnen. Der verirrte sich dann auch gleich in unsere kleine Badebucht. Wenn das nicht ein gelungener Wochenabschluss ist!

IMG_4873 IMG_4909 IMG_4902

Bereits nach der ersten Woche konnten wir daher dem deutschen Vorzeigetouristen Goethe nur erneut beipflichten: „Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: hier ist erst der Schlüssel zu allem.“

Im zweiten Teil meines Trips führt die Reise weiter in den Süden Siziliens. Dort wagen wir uns an Pferdefleisch, bekommen von Waldbränden einen Strich durch die Rechnung gemacht und erfahren warum ein Künstler auch ein guter Schäfer ist. Bevor wir am Ende schließlich das Herz Siziliens erreichen: Die Hauptstadt Palermo.