Sicily part 2: art + nature at its best

Bevor uns die Reise von Stromboli weiter in den Süden Siziliens führte, legten wir einen kurzen Stop in der zweitgrößten Stadt der Insel ein: Catania. Auch hier spürte man die Anwesenheit des Vulkans an jeder Ecke. Mit über 3000 Metern ist der Ätna nicht nur der höchste Vulkan Europas, sondern auch nur minimal ruhiger als sein kleiner Bruder Stromboli. Das schwarze Lavagestein, kombiniert mit weißem Mamor verleiht den Stadtpalästen in Catania ein ganz besonderes Flair. Lange Straßenzüge geben den ständigen Blick zum gewaltigen Berg über der kleinen Mittelmeermetropole frei. Die Bewohner leben seit Jahrhunderten im Einklang mit dem Vulkan, fürchten ihn genau so sehr wie sie ihn verehren. Und diese Spannung aus Anmut und Gelassenheit liegt hier überall in der Luft.

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Einmal Pferdefleisch, bitte!?

In Catania reicht es einfach durch die Gassen zu bummeln, den lebhaften Fischmarkt nahe der Piazza Duomo zu besuchen oder auf historische Spurensuche zu gehen. Vor allem nachts macht die Stadt einfach Spaß und verleiht unserem Trip den nötigen metropolitanen Touch. Als musikalischer Hotspot der ehemaligen Rock- und Grungeszene Italiens in den achtziger und neunziger Jahren, lädt die Stadt auch heute noch in ihre zahlreichen Pubs und Bars ein. Wer sich nicht hungrig ins Night Life stürzen möchte, sollte unbedingt in eine der kleinen typischen „Grillrestaurants“ in der Via Plebiscito gehen. Hier bekommt man sizilianische Spezialitäten frisch vom Rost. Von Fisch, zu Involtini mit Pistaziencreme über Salsiccia und speckumwickelte Frühlingszwiebeln haben wir uns quer durch die Speisekarte probiert. Eine ganz besondere catanesische Spezialität durfte natürlich auch nicht fehlen: Pferdefleisch! Klingt für manche eklig, ist es aber nicht. Und da hier wirklich jeder gern diniert, kann es passieren, dass man am Nachbartisch von den „Bossen“ des Viertels landet. Zumindest durften wir uns die „Frage der Ehre“ stellen. Sizilien eben!

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Ein Traum in Blau.

Mit steigenden Temperaturen, stieg auch unser Hang zum Faulenzen und Relaxen. So kam uns das nächste Domizil in der Nähe des kleinen Fischerstädtchens Marzamemi ganz gelegen. Klischeehaft, inmitten von Olivenhainen und Weinfeldern, befand sich unsere kleine Sommerresidenz: Casa azuleia. Ein strahlend blaues Haus, das wir zuvor über AirBnb ergattert haben. Von dort mussten wir praktisch einmal die Straße runter, um unsere Füße in den Sand der schönsten Küstenoasen Siziliens zu graben. Baden im Naturreservat Vendicari und der Bucht von Calamosche (nach einem heldenhaften Spaziergang bei 40°C durch die Halbwüste!) oder lieber am Strand von San Lorenzo chillen. Die Qual der Wahl! Nebenbei nahmen wir noch das internationale Filmfestival Cinema di Frontiera mit. Der malerische Stadtkern Marzamemis wird sieben Tage lang zum Open-Air Spektakel. Das Festival zeigt eine Auswahl von Filmen, die „Grenzen überschreiten“ wollen und einen Einblick in andere Kulturen geben. Der Eintritt ist frei und die Filme werden auf der Piazza unter freiem Himmel bei einem Glas Rotwein projiziert.

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Wenn nicht gerade mal wieder die Bauern durch das Abbrennen ihrer Felder ganze Naturparks abfackeln, sollte man auf jeden Fall auch die glasklaren Seen des Naturreservats Cava Grande besuchen. Uns wurde diesmal leider ein Strich durch die Rechnung gemacht. Dafür ließen wir uns von den Perlen barocker Architektur Noto und Modica verführen. Besonders Modica hat uns nicht nur kulturell sondern vor allem kulinarisch beeindruckt. Irgendwo in den verwinkelten Gassen der kleinen Bergstadt haben wir die Locanda del Colonello entdeckt. Und ich übertreibe nicht, wenn ich bei diesem Mittagsmahl von Hâute Cuisine in feinster mediterraner Manier spreche. In Modica sollte man in keinem Fall den Nachtisch auslassen. Die Stadt ist bekannt für ihre „Dolci“ und die Kunst der Patisserie wird hier weitervererbt. Highlight ist die vom italienischen Ministerium für Ernährung geschützte Schokolade nach einem jahrhundertealtem Rezept.

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Wo die Kunst aus dem Boden wächst…

Nach einem kurzen Abstecher zur weißen Kalksteinklippe „Scala dei Turchi“, einem einmaligen Naturschauspiel nahe Agrigento, führte uns die letzte Etappe schließlich ins Landesinnere. In der atemberaubenden Landschaft der Monti Sicani, weit weg vom Tourismus und den klassischen Reiseführer Tipps, besuchten wir den Bildhauer Lorenzo Reina in seiner „Fattoria dell’Arte“ (Hof der Kunst) auf über 1000 Meter. Lorenzo übernahm den Bauernhof von seinem Vater und versprach ihm auf dem Sterbebett, dass er die Familientradition der Schafzucht fortführen würde. Der damals junge Reina kehrte nach Sizilien zurück und verband seine Leidenschaft für die Bildende Kunst mit dem traditionellen Beruf des Schäfers. Wir trauten unseren Augen kaum, als wir sein Theater „Andromeda“ über den Hügeln von Santo Stefano di Quisquina entdeckten. In 20 Jahren schuf er ein neuzeitliches Amphitheater, welches an das Sizilien der griechischen Antike erinnert.

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Der Name Andromeda ist nicht, wie man vermuten könnte, auf den Mythos der Perseus Sage zurückzuführen, sondern leitet sich von dem gleichnamigen Sternbild ab. „Andromeda ist die Sternenkonstellation, welche nach Berechnungen der NASA in rund vier Milliarden Jahren allmählich mit unserer Galaxie, der Milchstraße, fusionieren wird. Beide Galaxien rasen mit circa 400.000 Kilometern pro Stunde aufeinander zu. Ich stelle mir das Ganze als „Ende vom Ende“ vor. Weit in die Zukunft vorausgedacht. Das Verschmelzen beider Galaxien bedeutet das Entstehen einer neuen Galaxie, und damit einer neuen Struktur und Epoche“, so Lorenzo. Das Andromeda Theater stellt damit den Versuch des Künstlers dar, aus natürlichen Materialien einen Ort zu erschaffen, der Raum und Zeit überwindet. Jeder der 108 Sitze im Theater korrespondiert mit einem Stern des Andromedanebels. Die Steine der Theatermauer sammelte er über Jahre hinweg, während der Transhumanz – jener Zeit im Jahr, wenn die Schäfer ihr Vieh von den Weiden im Gebirge wieder Richtung Tal führen. Die Geschichte von Lorenzo wird in dem Dokumentarfilm Pietra Pesante des jungen italienischen Filmemachers Davide Gambino erzählt.

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Betritt man das Theater, lässt man eine alte Welt hinter sich, um eine ganz neue zu entdecken. Die Masken am Eingang laden den Theaterbesucher zu dieser außergewöhnlichen Reise ein, sowie es bereits im alten Griechenland üblich war. Neben dem Theater kann man weitere Kunstwerke des Bildhauers und sein oktogonales Museum auf einer Anhöhe besuchen. Vor allem im Sommer bietet Andromeda eine Bühne für Konzerte, Performances, Lesungen und Theaterstücke bei untergehender Sonne. Lorenzo hatte den Traum einen Ort zu schaffen, der in Sizilien Platz für den kulturellen und philosophischen Austausch bietet. So gehört zu jedem Spektakel auch ein großes Essen in der Fattoria dell’Arte. Zubereitet wird das Bankett von Lorenzo, seiner Frau und seinen beiden Söhnen. Auf dem Tisch kommen nur Produkte aus eigenem Anbau, wie zum Beispiel der frische Ricotta, den er auf traditionelle Art per Hand herstellt und den wir probieren durften. Yummi!

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Und weil alle guten Dinge drei sind, erwartet uns nächste Woche im finalen Teil unserer Reise-Serie durch Sizilien die Hauptstadt Palermo. Der Melting Pot des Mittelmeeres und zugleich meine ehemalige Wahlheimatstadt hat neben farbenfrohen Straßenmärkten und historischen Sehenswürdigkeiten noch einem ganzen Fundus an Geschichten zu bieten.



— Hier geht’s übrigens zum ersten Teil von Helen’s Sizilien Reise: Sicily part 1: Living on a volcano