Reif für die Insel? Fliehen vorm Jahresende? Dann hab ich den optimalen Fluchtplan für euch! Codewort: Ustica. Die kleine Mittelmeerinsel vor der Küste Siziliens, kennt außerhalb Italiens schwerlich jemand. Aber das Eiland vulkanischen Ursprungs ist voller unberührter Schönheit und wilder Landschaften. Genau das richtige? Dann lasst euch von mir in Gedanken schon einmal in den Süden entführen...

Einst ist die Insel als Gipfel des unterirdischen Vulkans Monte Anchise aus dem Meer aufgetaucht. Circa 70 Kilometer nördlich von der sizilianischen Stadt Palermo entfernt, liegt sie einsam und allein im Mittelemeer. Mit dem Aliscafo (Schnellbootlinie) erreicht man Ustica in nur anderthalb Stunden, mit der Autofähre sind es drei. Auch im Winter legen täglich Boote ab. Nur wenn die See zu stürmisch ist, sollte man Geduld mitbringen oder auf die Fähre umsteigen.

Für Naturfans ist das Eiland ein wahrer Hingucker. Nicht zu Letzt aufgrund des vulkanischen Ursprungs bietet die unbekannte Mittelmeerperle bis heute Artenvielfalt, sowohl an Land wie in der Tiefe. Ummantelt von planktonreichen Strömungen des Atlantiks, die durch die Meerenge von Gibraltarhier hierher gelangen, erlebt man nachts fluoreszierende Lichtspiele an der Meeresoberfläche. Mit eine Unterwasserwelt voller Schluchten, Höhlen und Gipfel ist Ustica bei Meeresbiologen und Wassersportlern Europas gefeiertes Taucherparadies. Als erstes Unterwasserschutzgebiet Italiens steht die reiche Fauna und Flora der Insel seit 1986 unter Naturschutz.

Sieht man das Inselchen das erste Mal unverhohlen aus den schäumenden Wellen der See emporsteigen, wirkt sie winzig. Und tatsächlich umfasst Ustica nur acht Quadratkilometer unentdeckter Schönheit. Ein wenig erinnert sie mit ihren schwarzen Steilküsten, dem meterhohen Leuchtturm und der kargen Vegetation an die raue und gleichzeitig ursprünglichen Landschaften Irlands oder Islands. Wären da nicht gleichzeitig die grazile Sukkulenten und Kaktusfeigen, mediterrane Zitrusgewächse und Olivenhaine, sowie natürlich Siziliens gleißendes Licht und wärmende Sonne.

Gerade einmal 1300 Menschen leben auf Ustica. Im Winter deutlich weniger. Wer also auf der Suche nach Entspannung und unverfälschter Lebensstile ist, sollte sich schnellstens auf den Weg machen. Erreicht man den kleinen Hafen der Insel, schaukeln dem Reisenden die lebendigen Fischerbötchen entgegen und man befindet man sich sofort im einzigen Dorf des Eilands. Maritime Hausfassaden und bunte Farbtupfer machen den Rest des malerischen Bildes perfekt.

Einst war Ustica Kolonie von Phönizern, Griechen und Römern. Mussolini schickte dagegen während des faschistischen Regimes hierhin Gefangene und politische sowie militärische Feinde ins Exil. In Italien assoziiert man die Insel dagegen mit einem nie aufgeklärten Flugzeugunglück. 1980 starben über achtzig Menschen an Bord einer italienischen Passagiermaschine, die nördlich von Ustica ins Meer stürzte – vermutlich abgeschossen, wie vor allem Verschwörungstheorien bezeugen. Demnach sei es der Versuch gewesen, den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi mit Nato-Jägern auszuschalten. Einen weiteren Namen machte sich die Inselgemeinde als Baseball begeisterte „Bastion“. Von dem einstigen Höhepunkt dieser Sportära handelt der Dokumentarfilm der Brüder und Filmemacher Mathia und Stefano Coco.

Ustica, gli anni del diamante from Riccio Blu on Vimeo.

Abgesehen von diesen turbulenten Zeiten, geht es auf Ustica jedoch gemächlich zu. Moosige Wanderwege durch duftende Wiesensteppen und Pinienwäldchen, sowie steinige Pfade entlang der Küste, machen die Insel nicht nur im heißen Sommer, sondern auch im milden im Winter zu einem Idyll. Über ein schmales neun kilometerlanges Asphaltsträßchen lässt sich Ustica auch in Nullkommanix mit der Vespa oder einem E-Bike erkunden. Abgesehen von einigen wenigen alten Fiat-Vehiceln, die Fußgänger freundlich eine Mitfahrgelegenheit auf Pfiff anbieten, ist man König „on the road.“

Zu guter Letzt überzeugt eine Reise nach Ustica jedoch vor allem dank dem wichtigsten i-Tüpfelchen: Der sizilianischen Küche. Die Bevölkerung die hautsächlich von Landwirtschaft lebt, lässt auf der fruchtbaren Vulkanerde prächtige Auberginen, Tomaten, Linsen, Kapern und Zitronen gedeihen. Slow-Food steht hier auf dem Speiseplan und wenn dann der Tag zu Ende, lohnt es sich auf ihn mit einem Glas hausgemachten aromatischen Zibibbo (Dessertwein) anzustoßen. Ein Hoch auf Ustica!

all photos (c) Helen Hecker