Im Mutterland der Shopping Malls, den USA, ist die grelle bunte Welt der Einkaufszentren vom Aussterben bedroht. Gespenstische Stille und klinische Leere füllen jene riesigen Konsumtempel, die einst von Menschenströmen überflutet schienen. Ein Trend der immer mehr auch die europäischen Pilgerstätten des Einkaufswahn in die Knie zwingt. Der US-amerikanische Fotojournalist Seph Lawless hält die Dekadenz der ehemaligen Konsummagneten in seinen Bildern fest und offenbart uns damit einen reizvollen und gleichzeitig ungeschönten Blick auf den Wandel der Zeit.

In beklemmender Atmosphäre erzählen die leeren Boutiquen, Cafés, Fitnesscenter und Spielecken vom pulsierenden Leben einer längst vergangenen Zeit. Wo Millionen von Menschen früher unter einem Dach den Annehmlichkeiten des Konsums hinterher jagten, ragen heute von Staub bedeckte Rolltreppen ins Nichts empor und zertrümmerte Leuchtreklame preisen den Niedergang und Hoffnungslosigkeit. Genau diese makabre Stimmung inspiriert Fotograf Seph Lawless zu seinen Bildern.

Aufgewachsen in Cleveland und Sohn eines ehemaligen Fabrikarbeiters der Ford-Werke, widmet sich Lawless von Beginn an dem Verfall der urbanen Ballungszentren und dokumentiert nicht nur verfallene Shopping Tempel, Freizeitparks oder Industriewerke des sogenannten „Rust Bellt“ (älteste und größte ehemalige Industrieregion des Midwest der USA zwischen Chicago und Detroit), sondern übt als politischer Aktivist damit auch öffentlich Kritik an von Kapitalismus und Globalisierung gestörten Werten. Grund genug für uns den Fotografen um ein persönliches Interview zu bitten…

Wie alles begann…

Ich möchte, dass die Amerikaner bequem von ihren Vorstadthäusern und Smartphones aus sehen, was mit ihrem Land passiert. Meine Bilder erzählen eine Geschichte, ein unbeschriebene Kapitel der amerikanischen Geschichte. Die Geschichte eines Amerikas, das wir einst kannten und gleichzeitig sind sie die Warnung vor einem Amerika, das wir uns nicht vorstellen wollen. Manchmal reichen Worte nicht aus, deshalb habe ich angefangen zu fotografieren.

Wann fingst du an, dich für die Ästhetik verlassener Orte zu begeistern?

Ich bin ein Produkt des „Rust Belt“ Amerikas. Meine Familie stammt aus Detroit und zog später nach Cleveland. Beide Städte sind nunmehr eine Hülle ihres ehemaligen Selbst, nachdem sie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg mehr als die Hälfte ihrer Bevölkerung verloren haben. Das Outsourcing von amerikanischen Fertigungsaufträgen und die Globalisierung führten zu massiven Bevölkerungsverlusten, so dass verlassene Fabriken, Schulen und verlassene Einkaufszentren als apokalyptische Kulisse übrig blieben. Und dies so ziemlich überall, wo ich als Kind aus meinem Zimmerfenster hinsah. Meine Faszination für diese verlassenen Orte begann also bereits sehr früh.

Was hat dich beim Fotografieren dieser Orte in den vergangenen Jahren am meisten beeindruckt?

Wie sehr sich diese Orte im Laufe der Jahre verändern. Es ist wie ein Kunstwerk, das Jahr für Jahr heranwächst. Ich bin mehrmals zu einigen verlassenen Orten zurückgekehrt, um diese Änderungen festzuhalten. Zum Beispiel fotografierte ich eine der verlassenen Shopping Malls während eines Schneesturms. Das war einfach nicht von dieser Welt.

Was sollte man deiner Meinung nach mit den verlassenen Shopping Malls machen?

Ehrlich gesagt, denke ich, dass diese verlassenen Einkaufszentren ein großartiger Ort für Künstler sind. Der Street Artist BANKSY hat sich kürzlich bei mir erkundigt, ob er möglicherweise eines der Einkaufszentren, die er in meinen Bildern gesehen hat, für eine große Kunstinstallation nutzen könnte. BANKSY und ich, beide Aktivisten, teilen denselben Buchverlag und dieselbe Vision der verlassenen Orten.

Was sollte Fotojournalisten bei ihrer Arbeit bewusst sein?

Das werde ich nie gefragt, aber es ist eine faszinierende Frage. Zuallererst, ist Kontroverse um die Bearbeitung von Bildern in den nationalen Archiven ein echtes Problem. Davor sollten sich Fotojournalisten in Acht nehmen. Wenn du der Meinung bist ein Bild, abgesehen geringfügiger Korrekturen, zu bearbeiten, dann müsst du damit rechnen, dass Presse- und Nachrichtenagenturen sowie andere Personen nicht nur feststellen, dass du das Bild grob bearbeitet hast, sondern du verlierst auch an Glaubwürdigkeit und gefährdest deine Karriere. Zudem sollte man unterm Strich sollte man nichts auf einem Foto einfach entfernen oder unterwandern. Halte es so authentisch wie möglich, denn gefälschte Nachrichten manifestieren sich nicht nur mit Worten.

Fotografen, die du bewunderst…

Generell begeistern mich eher traditionelle Künstler, wie Ansel Adams, aber auch zeitgenössische Fotografen wie Trevor Coles. Seine Porträts sind einfach erhaben!

Welches Bild wirst du niemals vergessen?

Da war dieses verlassene Herrenhaus, das ich fotografierte, und meine Füße fielen immer wieder durch den Boden, als ich es hinaufging. Die Böden waren so verrottet, dass ich irgendwann bis zur Hüfte einbrach und feststeckte. Einige Tage später stand in der Presse, dass dasselbe Haus einstürzt gefährdet war. Die Stadt hat es daraufhin schnell abgerissen, sodass niemand zu Schaden kam. Ich hätte leicht zwischen den Trümmern sterben können. Ich glaube vielen Menschen wären nicht überrascht, wenn ich so enden würde. Es ist gefährlich, aber gleichzeitig macht genau dies auch den Spaß aus.

Vielen Dank Seph!

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(c) all photos by @sephlawless