Die Erinnerungen an einen langen und schönen Festivalsommer wurden längst vom dichten, lästig nassen Winternebel ins Jenseits gedrückt. Das Tanzspektakel im Freien wurde längst wieder in die dunklen Clubs der Republik verlagert. Der Winter hält allmählich Einzug – an das Wort Festival ist nicht mehr zu denken? Falsch gedacht: Wir sind in die wärmeren Gefilde Europas geflohen und haben dies zum Anlass genommen ein Festival zu besuchen, dass vor allem durch sein Line-Up bereits weit über die Ländergrenzen Frankreichs bekannt ist: das Pitchfork Festival Paris.

Ich war an einem verlängerten Spätoktoberwochenende mit meiner Liebsten in der Stadt der Liebe und habe ein Festival unter die Lupe genommen, dass ich bereits – ohne es auch nur einmal besucht zu haben – als eines meiner Lieblingsfestivals bezeichnet habe. Zwei Wochen nach meinem Besuch kann ich ruhigen Gewissens behaupten, dass sich meine Vermutungen bestätigt haben und dafür gibt es mindestens fünf gute Gründe!

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#1 Paris – Eine Stadt wie keine Andere

Ja schon klar, Paris ist die Stadt der Liebe und nach meinem ersten Besuch der französischen Metropole wird auch klar warum. Zu kitschig schön sind die tausend kleinen einsamen Straßen, die sich durch das Herz der Stadt ihren Weg in eine noch viel süßere Straße schlängeln. Zu romantisch ist ein langer Spaziergang mit seiner Liebsten von Notre Dame entlang der Seine zum Eiffelturm bei Sonnenuntergang. Zu märchenhaft ist die Stimmung in der Stadt, an der an jeder Ecke ein Akkordionspieler lauert und Songs über Liebe und Liebeskummer trällert. Zu viele vermeintliche Erinnerungen kommen auf, wenn man beispielsweise im rosafarbenen Café sitzt, in dem schon Amelie aus dem gleichnamigen Kinofilm ihren Kaffee trank. Man muss nicht einmal in Paris gewesen sein um zumindest zu behaupten die Stadt schon zu kennen und doch bewahrheitet sich vor Ort für all diejenigen das romantisch, kitschig und schöne Ambiente von dem immer alle sprechen.

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#2 Le Grande Halle de la Vilette – Ein Festival im Herzen der Stadt

Super, Paris hat seinen ersten Test als Stadt, die man mal gesehen haben muss, tatsächlich bestanden. Mit der Stadt wird man schnell warm. Kommen wir zum anderen Anliegen unserer Reise: das Pitchfork Festival, dass vor einigen Jahren nach den USA auch einen Ableger in der französischen Hauptstadt Paris bekam. Das gute Vorweg: für den Austragungsort des dreitägigen Spektakels wurde die Le Grande Halle de la Vilette im Norden der Stadt gewählt. Wenn hier das Wort Norden fällt, klingt das zunächst einmal nach einer weiten Anreise, die man nun wirklich nicht auf sich nehmen muss. Noch im Ring der Stadt liegend ist die Location via U-Bahn in nur knapp 10-minütiger Anreise vom Bahnhof Gare Du Nord erreichbar und befindet sich dementsprechend noch im Herzen der Stadt. Das weitläufige Gelände von La Villette – einem heute durchgestylten Schlachthof – bildet die Kathedrale für das dreitägige Festival, auf dem sich an jedem Abend ab knapp 18 Uhr die Headliner auf zwei gegenüberliegenden Bühnen dem bunt gemischten Publikum widmen. Das wahrlich Gute an diesem Festival ist vor allem der Fakt, dass sich durch die Beschränkung auf zwei abwechselnden Bühnen keine Acts clashen und jeder Besucher auch das zu sehen und hören bekommt, für das er bei diesem Festival gerade einmal 120 Euro zahlt.

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#3 Das Line Up: Wenn sich Newcomer und Mainacts die Klinke geben

Richtig gehört: Das Festival kommt mit gerade einmal 120 Euro an drei Abenden für eine sonst ziemlich überteuerte Stadt wie Paris ziemlich preiswert daher. Vor allem in Anbetracht der Headliner, die die Veranstalter bereits seit den Anfängen nach Paris locken. Was mich bereits in den letzten Jahren unruhig schlafen ließ, war in diesem Jahr der springende Punkt: das Line Up, welches sich erneut von seinen vielfältigsten Facetten zeigt: Brandt Brauer Frick, Floating Points und Mount Kimbie sind die experimentierfreudigen Live-Formationen des Wochenendes. Sie zeigen, dass elektronische Musik und klassische Einflüsse bestens in Einklang funktionieren. Der norwegische Musiker und House-Mastermind Todd Terje, der mit The Olsons live zu sehen ist, sorgt ebenso wie der kanadische Musiker Daphni – besser bekannt als Caribou – sowie auch das Pariser Duo Acid Arab, für ordentlich Feel-Good-Stimmung. Obendrauf gibt es gegen Ende eines jeden Abends einen Headliner, den man wahrscheinlich nicht alle Tage zu sehen bekommt. Chet Faker bildet das gelungene Ende des ersten Abends, unsere Berliner Nachbarn Moderat verabschieden die Pariser am Freitag Abend in die Partynacht, während der dritte Abend mit M.I.A. live zum Highlight des Festivals wird, ein klares politisches Zeichen setzt und den runden Übergang in die bis morgens andauernde Clubnight bildet.

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#4 Food, Music, Exploring

Ein Festival in einer Halle, in der kälteren Jahreszeit, inmitten einer Stadt? Das klingt zunächst einmal alles andere als ein Leichtes für Veranstalter. Die Veranstalter setzten aber nicht ohne Grund ihr Hauptaugenmerk auf das, wofür ein Musikfestival stehen sollte, nämlich Musik und das auf ganzen zwei Bühnen, auf denen ohne große Pausen von einem zum nächsten Konzert geswitcht wurde. Aber auch abseits der beiden Floors gibt es natürlich das ein oder andere zu entdecken: Neben einem kleinen Gourmet Food Court und jeder Menge Shops, Pop Up Stores und Erwachsenenspielplätze, für die man bei diesem musikalischen Aufgebot zugegebenermaßen leider nur wenig Zeit findet.

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#5 Das Gesamtpaket

Das Pitchfork ist vor allem in den USA bekannt und wächst zurecht in den letzten Jahren auch in Europa zu einem Festival heran, von dem man in den kommenden Jahren mit Sicherheit noch viel hören wird. Der durchgestylte ehemalige Schlachthof der Le Grande Halle de la Vilette war auch in diesem Jahr auf der Größe von mehreren Fußballfeldern der dreitägige Schauplatz von knapp 30 Bands und Acts, die allesamt den Ethos und Grundgedanken des Festivals kaum besser auf die Bühne zaubern hätten können. Bei diesem Line-Up war es klar, dass es sich schwierig erweisen wird das Festival enttäuscht zu verlassen. Das Paket, dass das Pitchfork verspricht, funktioniert extrem gut, ist sehr stylisch umgesetzt, minutiös ausgeführt und damit ein Traumkandidat für all diejenigen, die im Herbst noch einmal Festivallust verspüren. Darüber hinaus ist das Pitchfork eine tolle Möglichkeit ein sonniges Herbstwochenende in der Stadt der Liebe zu verbringen. Pitchfork, oui wir kommen wieder!