Hi, my name is Marvin Hey

HI, MY NAME IS ist der ziemlich einfallslose Titel für eine kontinuierliche Interview-Reihe mit talentierten Fotografen, Musikern, Künstlern und inspirierenden Persönlichkeiten unserer Zeit. Zur Feier des 25. Jahrestages des Berliner Mauerfalls habe ich den Musikenthusiast, DJ und Produzenten Marvin Hey nach seinem Gig an der Eastside Gallery getroffen. In dem Moment als die weißen Ballons zum Symbol grenzenüberschreitender Freiheit in die Luft stiegen, hat er dem Publikum eines seiner mitreißenden Sets serviert. Dank der elektrisierenden Beats und seinem runden Sound bekam die emotionale Stimmung vor Ort noch ihr Sahnehäubchen.

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Marvin Hey ist längst kein unbeschriebenes Blatt mehr: Nachdem er seine ersten Schritte im Hip Hop machte, widmete er sich in den letzten Jahren verstärkt der elektronischen Musik und veröffentlichte schließlich 2012 gemeinsam mit Ferdinand Dreyssig seine erste EP „Diema“ auf Kalimero Records. 2013 folgten dann Releases auf Poesie Musik/Get Physical, Katermukke und Keno Records. Ordentliches Aufsehen erregte der Track „Coeur De La Nuit“, eine erneute Koproduktion mit dem nicht weniger begabten Ferdinand Dreyssig. Ein ekstatisches Stück in echter Clubmanier, das wuchtige Bässe mit verspielten Piano- und Flötensamples vereint und dank der Chor-Vocals aus dem Soundtrack des Films „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ beinahe einer pittoresken Hymne gleicht. Von den Qualitäten dieses Duos konnte ich mich diesen Festivalsommer mehr als einmal überzeugen. Ferdinand Dreyssig & Marvin Hey stehen für Techhouse par excellence und einen voluminösen Sound, der wahrhaftig das Herz der Nacht erobert. Im Interview verrät uns das junge Talent mehr über seine musikalischen Wurzeln, die Liebe zum Plattenteller und die Sehnsucht nach langen Clubnächten.




I AM Marvin Hey
Ich komme aus Berlin. Bin ’85er Baujahr. Und warum mache ich Musik? Jeder der Musik liebt, weiß: Es kam der Tag an dem man sie getroffen hat und dann war es Liebe auf den ersten Blick. Und diese Liebe geht dann auch nicht mehr.

Vor 25 Jahren warst du…
Wahrscheinlich war ich mit meiner Mutter irgendwo unterwegs und die sagte dann: „Ah die Mauer ist gefallen“, und ich habe es nicht gecheckt.

Auf welcher Seite von der Mauer warst du?
Osten.

Heute in 25 Jahren bist du…
Ich lass mich überraschen.

Der erste Longplayer in deiner Sammlung.
Den Soundtrack von dem Film Beat Street. Aber ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Vielleicht war es auch Nas?

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Techno heute & Techno damals
Da ich erst seit drei oder vier Jahren im Bereich der elektronischen Musik herumschwirre, kann ich nicht wirklich sagen, wie der Techno damals war. Auf jeden Fall war er anders und teilweise härter. Dennoch bin ich ein Kind von heute und das hört man natürlich auch in meiner Musik. Ich merke aber, wie ich immer mehr auf der Suche nach alten Sachen bin, die super interessant sind und aus denen man bestimmte musikalische Fazite ziehen kann.

Wie hat alles bei Dir angefangen?
Ich habe früher Breakdance gemacht und musste das leider aufgeben, weil ich mir das Handgelenk gebrochen hatte. Deshalb fing ich an zu sprühen und Old School Hip Hop aufzulegen. Just for fun. Und daraus ist dann immer mehr geworden. Ich hab angefangen in Clubs aufzulegen und irgendwann bin ich mit Freunden im Berghain gelandet, in der Bar. Und auf einmal sagte ich mir: Ok, vergiss alles andere und leg elektronische Musik auf. Das war in jedem Fall die beste Entscheidung.

Erinnerst du dich an deinen ersten Gig?
Vor Leuten? Ja, sogar ganz gut. Ich hab damals im H20 gespielt. Ich war der letzte der spielen durfte, von halb 7 bis 7. Ich habe mein einzelnen 30 Platten, die ich bis dahin besaß, noch im Rucksack verstaut, weil ich kein Geld für’n Baggy oder so hatte. Also, bin ich dort hin, habe die letzte halbe Stunde gespielt und anschließend haben irgendwelche Jungs auf der Warschauer Straße sogar probiert mich abzuziehen. (lacht) Das war verrückt. Ich meinte dann zu denen: „Ey, Jungs wollt ihr mich verarschen, ich habe hier nur ’ne Tasche mit Platten, lasst mich mal schön in Ruhe.“

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Gibt es Grenzen in der Musik?
Nein! Das wäre auch schlimm! Es kann allein schon deswegen keine Grenzen in der Musik geben, weil ja immer wieder neue experimentelle Musik erfunden wird. Also sprich: Würde es Grenzen geben, würde Musik gar nicht erst entstehen können. Es gibt immer jemanden, der hier und da schraubt und bastelt und eine neue Ebene musikalischen Ausdrucks erreicht. So wurde eben auch der Deep House in den letzten Jahren noch einmal komplett verändert.

Berlin?
Heimat.

Für welchen Gig würdest du alles stehen und liegen lassen?
Auf einen Sonntag, zwischen 8 bis 18 Uhr in der Panoramabar. Ein vier bis sechs Stunden Set. Und am besten im Sommer, wenn die Sonne rein scheint sobald die Jalousien aufgehen.

Das beste Set, das du bis jetzt gespielt hast?
Schwer zu sagen. Es gibt Sets, die gar nicht so cool waren und die Leute kommen danach zu dir und sagen: „Boar, das war so gut!“ Und du denkst dir nur: „Hä? War ich auf einem anderen Floor?“ Und dann gibt es Sets bei denen ich das Gefühl habe, das sie so richtig fett sein und die Leute gehen nicht so richtig ab. Aber ich glaube jedes Set ist individuell und wichtig für sich. Denn aus jedem Set lernt man etwas und baut darauf auf. Letztes Jahr hab ich zum Beispiel mit Blosa & Ross ein acht Stunden Set im Sisyphos gespielt und ab Stunde 6 und mit drei Playern gleichzeitig, konntest du mit den Leuten wirklich einfach machen, was du wolltest.

Und dann kam der Moment, wo das Licht anging, der Break kam, es hat reingehauen und alle standen nur da und haben mich angeschaut. Und ich dachte einfach: Huuuch! … An das Gefühl kommt wirklich gar nichts ran.

Ferdinand & Du?
Da wir zusammen produzieren, kam irgendwann der Punkt, an dem wir natürlich auch zusammen als Team auflegen wollten. Jeder von uns ist zwar ein komplett anderer Typ, aber Ferdinand und ich ergänzen uns einfach gut. Irgendwo dazwischen gibt es eine gemeinsame Linie, einen gleichen Gedanken, den wir verfolgen. Wenn wir zusammen spielen, braucht er nicht zu wissen, welche Tracks ich habe und umgedreht. Wir harmonieren einfach zusammen und das passt dann.

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Wie geht’s weiter?
Wir haben einen neuen Track produziert, der bald über ein portugiesisches Label erscheinen wird. Dann wird es einen Remix für Marc Poppke auf Crossfrontier Audio geben und für Fabio Giannelli auf Get Physical Music. Da kommt auf jeden Fall noch einiges…

Last but not least: Deine Frage?
Ok. An alle Leute, die feiern gehen: Geht ihr wirklich in den Club wegen der Musik? Denn ich habe manchmal das Gefühl, die Musik kommt heute viel zu kurz. Probiert sie zu verstehen und zu fühlen, denn dann können auch die Parties wieder besser werden. Oder, darf ich noch eine stellen? (lacht)

Klar.
Liebe Veranstalter, warum lasst ihr uns DJ’s immer nur zwei Stunden spielen? Wir wollen länger!

DANKE MARVIN ♥


images © Helen Hecker