Alt werden. Vor allem in der Mitte der Zwanziger befinden sich viele von uns in einem seltsamen Schwebezustand. Zu jung für das absolute Erwachsenenleben, zu alt um die zweite Mahnung unbeantwortet zu lassen. Das Alter beeinflusst uns mehr als uns lieb ist, dabei hilft oft schon ein Blick auf das große Ganze, um das eigene Alter und die damit verbundenen Konventionen nicht zu ernst zu nehmen.

„Männer reifen, Frauen verblühen“ warf mir mal irgendjemand an den Kopf und verhielt sich dabei verdächtig zynisch. Meine Mutter sagt immer öfter, dass ich ja jetzt auf die 30 zugehe – mit 26. Meine Freundinnen und ich begutachten unsere ersten Falten gemeinsam vor dem Spiegel im WG-Badezimmer. Unsere Kommentare bewegen sich im gerade so aushaltbaren Bereich. Dass das ja schon mehr Lachfalten als Grübelfalten sind und wir in unseren Gesichtern nun (endlich) sehen, dass wir auch schon was erlebt haben. Graue Haare sind das abschließende Thema unserer Alterungsexpedition. Hab ich noch nicht, bin ich auch froh drum. Meine Mutter hatte ihre ersten grauen Haare nämlich mit Anfang 20. Da bin ich noch gut dabei. Die, die steil auf die 30 zugeht und für’s Erste genug erlebt hat.

,,Noch“, ,,erst“, ,,wenigstens“, ,,außerdem“, ,,immerhin“ oder ,,kaum“. Noch sind da keine grauen Haare und kaum Falten. Wenigstens Lachfalten und keine Grübelfalten. Und immerhin zeigen die, dass wir ein freudvolles Leben lebten. Modaladverbien klingen immer wie eine Entschuldigung an uns selbst. Sorry dass du alterst, Körper, aber dafür kann ich jetzt auch nichts, denn du bist ich. Oder ich bin du, wie auch immer. Ich kann meinem Umfeld nicht verübeln, dass da eine gewisse Angst uns Respekt vor dem Altern besteht, dass Frauen in den Köpfen vieler Menschen tatsächlich verblühen, anstatt mit stetiger Weisheit und Erfahrung ihre ganze Schönheit entfalten. Hübsche Metaphorik und schroffe Tatsächlichkeit gehen bei diesem Thema eben weit auseinander.

Es nervt. Zu wissen, dass ,,die biologische Uhr jetzt nun mal anfängt zu ticken“, man am besten niemals nach 5 Stunden Schlaf aussehen sollte und ganz besonders, dass die Möglichkeit des Vergleichs mit sich selbst immer selbstverständlicher wird, denn ,,schau mal, auf den Fotos vor 5 Jahren hatte ich aber noch nicht so extreme Falten auf der Stirn.“ – HDR sei Dank. Im Mai werde ich 27. Ich will mir nicht ausmalen welche Szenarien sich im Kopf meiner Mutter abspielen. Vermutlich wurde für mich bereits eine Zusatzrentenversicherung abgeschlossen, denn 27+3=30!

30. Manchmal bin ich 14, manchmal 19 und ganz oft immer noch 22, weil’s ein schönes Jahr war. Die Tatsache, dass große Kosmetikkonzerne auf mich warten, jede einzelne Falte freudig und doch zynisch in Empfang nehmen, ich bald zu Team ,,Haut ab 30“ und nicht mehr ,,Erste Fältchen“ gehöre, lässt mich zusammenzucken. Nicht aus Überzeugung, sondern weil diese Art der Angst von mir erwartet wird. Doch die Angst vor dem Altern ist manchmal vielleicht bloß die leise Bestätigung, dass wir uns vor dem Ausbleiben der Leichtigkeit fürchten, es zu ruhig wird und wir dem Sog der Spießigkeit nicht mehr entkommen können.

Denn wenn wir uns beobachten sehen wir nicht nur Gesichter, einzelne Falten oder auf Dauer unbezahlbare Einheiten bei der Kosmetikerin, sondern ertappen uns dabei wie der Wehmut Einzug hält. Dass genau dieses wehmütige Zurückblicken aber keine Angst machen sollte ist wohl leichter gesagt als getan, geht’s bei der ganzen Sache nämlich nicht nur um Schönheit, sondern auch Gesundheit und der Frage, wo man am Ende bleibt. Sehr existenzell, ich weiß. Doch was spricht dagegen, morgen vielleicht mal wieder 22 zu sein? Was spricht dagegen, sich mal nicht jeden Tag mit 65€ Seren einzutupfen? Sich daran zu erinnern, was die vergangenen Jahre besonders positiv geprägt haben kann helfen, lässiger mit lästigen Zahlen umzugehen, der Kosmetikindustrie öfter mal die kalte Schulter zu zeigen oder das abendliche Versacken vor dem Spiegel zu umgehen.

Älter zu werden kann scheiße sein, ja. Doch wenn wir das ,,Altwerden“ durch ,,Erwachsenwerden“ austauschen und vielleicht nicht immer daran denken, was wir in Zukunft vermutlich nicht mehr machen werden oder können, welche Körperpartien langsam aber stetig an uns zu hängen beginnen und wie viele graue Haare es jetzt genau sind, sollten wir an manchen Tagen einfach wieder so alt sein wie wir wollen.