Neujahrsvorsätze: Zwischen absurder Strenge und schwachen Momenten

Zitternde Hände vom Nikotinentzug, das ungeduldige Warten bis sich die ersten Muskeln abzeichnen oder völlig entnervt das Dressing für den sechsten Salat in dieser Woche zubereiten. Qual hat viele Gesichter - vor allem zum Jahresbeginn.

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll wenn ich an Neujahrsvorsätze denke. Meine Augenbrauen nähern sich an, lassen mein Gesicht unglaubwürdig aussehen wenn mir jemand von seiner Anmeldung im Fitnessstudio erzählt oder ein Foto seiner Smoothie Bowl schickt. Alles auf Anfang, alles neu, alles besser. Aber machte es das nicht nur schlimmer? Wissen wir denn nicht eigentlich alle, wie schlecht es ist, Druck auf sich selbst auszuüben? Scheinbar existiert dieser Erfahrungswert zu Beginn eines neuen Jahres nicht. Erstaunlich, dass Neujahrsvorsätze zumeist immer belächelt und als Ziele angesehen werden, die utopisch erscheinen. Ein kleiner Anflug von Absurdität, die man eigentlich umgehen könnte, wenn man die Sache locker angehen würde.

Ein anderes Bild offenbart sich mir allerdings im Fitnessstudio. Keuchende, völlig errötete, schwitzende Köpfe begegnen mir in einer absolut überfüllten Umkleidekabine, in denen sich die Abgenervtheit im Gesicht so vieler abzeichnet. Dazwischen bekannte Gesichter die verstanden haben, dass Sport auch gerne als Synonym für ,,Ausgleich“ verwendet werden kann und nicht nur dazu dient, innerhalb von drei, nein, am besten zwei Monaten 35 Kilo zu verlieren. Gerne auch in Verbindung mit einer pflanzenbasierten Ernährung. Dann doch lieber eine Woche Guantanamo oder jeden Tag in das U-Bahnabteil mit der Kindergartengruppe steigen.

Sport ist gut, gesunde Ernährung ist gut, ein Ziel zu haben sowieso – aber bitte nicht aus der falschen Motivation heraus.

Zu Beginn des Jahres werden optimistisch Pläne geschmiedet. Dagegen kann und darf nichts gesagt werden. Zu Beginn des Jahres kann allerdings auch der Fall des orientierungslosen Schwebezustands eintreten. Diese ersten paar Wochen in denen sich das Gefühl breit macht, man hätte Sand im Kopf. Herr Schweiger sollte an dieser Stelle die Chance nutzen, und einen neuen unnötigen Film produzieren. Gern geschehen. Diese leichte Überforderung und die eintretende Nüchternheit nach den Feiertagen, gepaart mit etwas Übereifer veranlassen uns dazu, seltsame Dinge zu tun.

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Doch sollten wir es uns am Jahresanfang nicht zur Aufgabe machen, all die Dinge auf eine Liste zu schreiben die wir unbedingt erleben wollen, weil sie schön sind? Neue Musik entdecken, Konzerte besuchen, sich regelmäßiger mit den Liebsten treffen? Denn wenn wir uns dem Vergnügen hingeben, Zufriedenheit und Ausgeglichenheit in uns einziehen lassen, gelingt es uns auch, die vielzähligen Corners of shame anzupacken – völlig egal, welcher Monat uns der Kalender anzeigt. Disziplin ist gut, Strenge nicht. Disziplin muss wachsen, bis sie zur Routine wird. Seid nett zu euch und gönnt euch das ein oder andere Mal wenigstens ein paar Kakaonibs in der Smoothie Bowl, Deal?