Den Blick auf das Wesentliche richten und den Moment einfangen, um ihn anderen sichtbar zu machen – das ist wohl die höchste Kunst der Fotografie. Ein Künstler dem dies auf erstaunliche Weise gelingt, ist der Italiener Fabio Sgroi. In einem Interview spricht er über seinen neuen Bildband PAST EUPHORIA POST EUROPA und nimmt uns mit auf eine fesselnde Reise durch 14 verschiedene Länder Europas...

Fabio Sgroi gehört zu den renommiertesten Street-Fotografen Italiens. Als Autodidakt begann er 1985 seine Freunde und die Generation der damaligen Zeit zu fotografieren. Das bedeutete Punk und die Undergroundszene Palermos. Er selbst war Mitglied einer Punkband und entwickelte das Talent Atmosphäre und Charaktere in Bildern festzuhalten wie kein anderer. Ab 1986 arbeitete er einige Jahre für die sizilianische Tageszeitung „L’Ora“. Seine Arbeiten bleiben von Beginn an eng mit seiner Heimat Sizilien verbunden: Traditionelle Zeremonien und religiöse Feste stehen im Gegensatz zu Rock’n’Roll und Alltagsästhetik.

Die Arbeiten des Momentfotografen fanden auf zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellung sowohl in Italien wie im Ausland über die Jahre große Resonanz. Darunter das Festival Off Arles, die Artget Gallery, das Ethnographische Museum in Belgrad, die Leica Gallery in Sölms, die Photo Biennale Moskau, die Biennale Photographique Bonifacio oder die Saba Gallery in New York. PAST EUPHORIA POST EUROPA ist die logische Konsequenz einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und dem Bild an sich.

Worum geht es in deiner Fotografie?

Ich fotografiere alles was mich interessiert. Ich habe kein Hauptmotiv oder Thema, sondern ich laufe umher und schaue. Ich versuche möglichst das einzufangen, was für meine Arbeiten einen Sinn ergeben würde.

Wann hat deine Leidenschaft für Fotografie begonnen?

1984. Dank meiner Eltern hielt ich meine eigene Kamera in den Händen und habe angefangen meine Freunde zu fotografieren. Von diesem Augenblick an, habe ich nicht mehr aufgehört zu fotografieren. Ganz im Gegenteil, ich will gern viel mehr machen. Bald wird es von den ersten Jahren, in denen ich noch kein ausgebildeter Fotograf war, einen Bildband geben mit dem Titel „Palermo 1984/85″ – Early Works“ in Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Verlagshaus Yardpress.

Es ist sehr schwer Bilder zu produzieren, die die Zeit überdauern, die sogenannten „guten Bilder“. Wir sind kontinuierlich mit einer visuellen Kontamination bombardiert, die unsere Wahrnehmung trübt.

Wo oder wie findest du deine Inspirationen…

Wenn ich fotografiere, schaffe ich es von mir selbst abzurücken. So als würde ich zu meiner inneren Musik tanzen. Manchmal drehe ich mich dabei um mich selbst und andere Male versuche ich mich dagegen in den Kontext der Situation oder des Motivs zu inserieren.

Was war die Intention hinter deinem neuen Bildband „PAST EUPHORIA POST EUROPA“?

Das Buch ist ein fotografisches Langzeitprojekt über die Ausweitung der Europäischen Gemeinschaft nach Osten. Ich habe damit 2011 begonnen, auch wenn sich im Buch bereits ein Foto der Love Parade in Berlin von 1984 befindet. Die Love Parade war auch eine der ersten Transgender-Events und Großveranstaltungen, welche den Beginn der Euphorie damals in Europa markierten. Daher stammt der Titel.

Warum POST EUROPA, ist schon alles vorbei?

Meine Arbeit in diesem Buch will die Europäische Gemeinschaft nicht anprangern. In Wirklichkeit steht dahinter ein Fragezeichen. Ich habe versucht mittels der Atmosphäre der Orte, die ich besucht habe, einen historischen und visuellen Weg aufzuzeichnen, der durch die Bilder gewisse Fragen an die Zukunft stellt. Leider können wir nicht verneinen, dass wir gerade einem Trend in Richtung Nationalismus und nationaler Bestrebungen erneut erliegen, nachdem wir dies bereits hinter uns gelassen hatten.

Wohin haben dich deine Reisen also tatsächlich gebracht?

PAST EUPHORIA POST EUROPA ist eine Arbeit über die Europäische Gemeinschaft, über Nationalismus, Einheit, über Hoffnung und das Resultat einer langen Reise in ingesamt 14 Länder. Indem ich alles an den historischen Moment gebunden habe, in dem wir gerade leben, habe ich die Vergangenheit mit der Gegenwart vereint und das Gedächtnis mit dem aktuellen Zeitgeist.

Andere Fotografen, die du bewunderst…

Es gibt unzählige gute Fotografen und hervorragenden Arbeiten, die ich schätze. Darunter „Telex in Iran“ di Peress, „Autres Ameriques“ di Salgado, „Dark Odyssey“ di J. P. Griffiths, „New York“ di Klein und viele andere. Einer der mich immer überrascht hat, ist Koudelka. Oftmals muss einem dabei nicht das gesamte Werk der Fotografie gefallen. Diese Fotografen haben jedoch eine Ethik der revolutionären oder klassischen Fotografie entworfen, die die Fotografie aufgewertet hat.

Woraus besteht dein Equipment?

Erst habe ich eine analoge Reflex benutzt, aber seit ein paar Jahren arbeite ich ebenfalls digital. Meistens mit kleineren spiegellosen Systemkameras der neuen Generation. Ich mag keine großen Kameras und bevorzuge mit kleinen und leichten Modellen zu arbeiten. Für große Panoramaaufnahmen setze ich jedoch immer noch auf Film.

Dein „entscheidender Moment“…

Immer abdrücken!

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