Die Berlinale ist vorbei und ich habe sie gefunden – meine Berlinale Highlights! Zwischen aufbrausenden Emotionen, extremen Weltsichten, rastloser Sinnsuche, Sex, Humor und Spannung waren vier queere Filme die persönlichen Favoriten meiner Filmwoche! Ein Rückblick.

Zehn Tage war Berlin im Filmfieber. Zehn Tage voller bunter Bilder, gewaltiger Sound-Kulissen und der ganzen Welt zu Gast. Rund 330.000 Berlinale-Tickets wurden verkauft und 21.000 Akkreditierte aus mehr als 130 Ländern kamen zur 68. Edition des Festivals. Zweifellos ist die Berlinale damit eine internationales Festival der Superlative. Sowie jedes Jahr habe ich mir für euch zahlreiche Filme angesehen und dabei versucht meinen eigenen roten Faden durch den Themenwald zu spinnen. Und siehe da, es ist mir gelungen. Mein roter Faden in diesem Jahr waren die Anwärter der Sektion Panorama auf den begehrten schwul-lesbischen Filmpreis – den Teddy Award. Ich fasse zusammen.

Die Pole Position erhält in meinem queeren Berlinale-Rückblick der Gewinner des diesjährigen Teddy-Awards: TINTA BRUTA (Hard Paint). Der sensible Feature-Film des brasilianischen Regie-Duos Mario Reolon und Filipe Matzembacher hat zu Recht den begehrten Jury-Preis erhalten. Mit intimen Close-Ups und zärtlicher Raffinesse konstruierten die Filmemacher das Portrait des jungen Pedro (brilliantes Schauspiel-Debüt von Shico Menegat by the way!) in dessen Augen sich die Angst über jene Blicke widerspiegelt, die ihn nicht los lassen wollen. Die Blicke einer Gesellschaft, die Homosexuelle verurteilt und ins soziale Abseits drängt. Pedro kann sich nur vor seiner Webcam als NeonBoy von ihnen befreien und schafft sich auf diese Weise ein eigene virtuelle Welt, die ihm das Überleben sichert. Sowohl finanziell wie moralisch. Dennoch hört sein Leben nicht auf vom Verlassenen geprägt zu sein. Nur der Tänzer Leo lässt NeonBoy auch offline strahlen und schenkt ihm Hoffnung.

Ein weiterer Film, der sich der Selbstfindung eines Heranwachsenden widmet, ist MARILYN. Martín Rodriguez Redondo die erzählt in seinem Debütfilm die Geschichte des schüchternen Marcos, der in der argentinischen Provinz aufwächst. Konservativ und unbarmherzig sind soziale Rollen hier klar festgelegt. Ein Korsett, das kein Platz zum Atmen lässt, selbst nicht innerhalb der Familie. So sprachlos und unvermittelbar sich die Welten des Jungen und die seiner Mutter, seines Bruders sowie des Rests des Dorfes gegenüberstehen, so sprachlos und ungeschminkt vermittelt der Film die hoffnungslose Situation Marcos. Je bestimmter er zu anfangs des Films noch versucht sich seine Freiräume zu schaffen und zu mindestens kurzzeitig der zu sein, der er ist, je auswegloser wird sein Handeln zum Ende. Die erdrückende Hitze der argentinischen Prärie, die der Zuschauer über den Screen beinahe spüren kann, wird zu einem Symbol für die gesellschaftliche Unterdrückung und ihrer vernichtenden Konsequenzen.

Ebenfalls in Brasilien spielt das dokumentarische Poem OBSCURO BARROCO, welches die griechische Filmemacherin Evangelia Kranioti mit symphonischen Feingefühl zusammengestrickt hat. Das Film-Essay sucht nach dem Wesen der Transformation und entdeckt dabei die Seele Rio de Janeiros. Zwischen Karneval, Masken, Make-Up und dichtem Nebel nimmt uns die bekannte Künstlerin Luana Muniz mit auf eine Reise durch den Dschungel der brasilianischen Metropole. Träume und Albträume liegen hier so dicht beieinander, das sie zu einem pulsierenden Rhythmus der ständigen Veränderung verschwimmen. Mit malerischen Bildern und einem starken Sound-Editing erzählt Obscuro Barocco die Geschichte des Undergrounds Brasiliens und tänzerischer Ekstase. Im Q&A gibt die Regisseurin bekannt, dass Luana leider im letzten Jahr nach den Dreharbeiten verstorben ist. Ihr Vermächtnis.

Last but not least möchte ich euch einen Dokumentarfilm der Sonderklasse ans Herz legen. Der polnisch-deutschen Filmemacherin Alina Skrezeszewska gelingt mit GAME GIRLS ein emotionsgeladenes Portrait über das lesbische Paar Teri und Tiahanna. Ungeschminkt und intim begleitet der Zuschauer die Geschichte der beiden durch alle Höhen und Tiefen ihres Lebens in USA’s „Hauptstadt der Obdachlosen“ – der Skid Row in LA. Auch wenn der harte Alltag geprägt ist durch Alkoholsucht, Gewalt und Drogenhandel, halten die Beiden dennoch an Hoffnung und Liebe fest. Visionen, die die meisten Bewohner der Skid Row kaum in ihrem Leben erfahren durften. Verbunden durch traumatische Schicksale und den Kampf um das tägliche Überleben, erzählt Alinas Film ein Leben afroamerikanischer Frauen am Rande der Gesellschaft, ein Leben das sich nach Geborgenheit sehnt.