Reisen sind dafür da, um von ihren Erfahrungen zu zehren und sich irgendwann in die fremden Länder zurückzuträumen. Mein Traum von 1001 Nacht ist nun zwei Jahre her. Grund genug mit euch in Gedanken noch einmal nach Marokko zu fliegen...

„Was machst du denn zu Weihnachten und Silvester?“ – Wie oft habt ihr diese Frage in den letzten Tagen und Wochen wohl gehört? Ich persönlich habe irgendwann aufgehört zu zählen. Natürlich habe ich wie jedes Jahr keine Antwort darauf. Dabei ist in den vergangenen Tagen der Wunsch wegzufliegen von Mal zu Mal größer geworden. Vor genau zwei Jahren waren meine beste Freundin Saskia und ich in einer ähnlichen Situation. Was haben wir getan? Einfach gebucht. Wohin? Natürlich dorthin wo Silvester wirklich zum Traum von 1001 Nacht wird: Marokko!

Es ist der 24. Dezember 2015, morgens 10 Uhr. Der Flieger hebt ab und wir ahnen bereits in diesem Moment, dass wir die wohl beste Reiseentscheidung unseres Lebens getroffen haben. Ein Frühstück im Flugzeug zu Heiligabend muss natürlich festlich zelebriert werden. Wir sind bestens vorbereitet und haben selbst vorgesorgt: Roter Linsensalat, selbstgemachte Köfte, eingelegte Tomaten und Oliven, Mortadella und vier Flaschen Piccolo-Sektchen aus dem Duty Free. Kann ein Urlaub besser starten?

Nach vier Stunden erreichten wir Marrakesch. Wohlige 25 Grad schlugen uns ins Gesicht. Unser erster marokkanischer Freund Badr, in dessen Riad wir übernachteten, holte uns vom Flughafen ab und ließ uns inmitten des bunten Treibens poltern. Unser Riad lag nur wenige Meter vom berühmten Djemmaa El Fna, dem größten Platz der Hauptstadt, entfernt. Während wir unsere Koffer an gruseligen Schlangenbeschwörern im Sicherheitsabstand von 500 Metern vorbeizerrten, entschieden wir kurzerhand den Platz erst nach 17 Uhr aufzusuchen. Dann waren die Cobras in ihren Körben verschwunden und wir konnten freien Herzens das einmalige Spektakel des Platzes genießen. Nach einer ausgedehnten und äußert smoothen Pause auf der grandiosen Terrasse unseres Riad, wagten wir den ersten Spaziergang im Gassenlabyrinth Marrakeschs und verloren uns besten Wissens und Gewissens in der Altstadt.

Ohne Frage ist mein bester Tipp für Marrakesch: Schlendert hinein in die Stadt, auch abseits der Touristenherde und verliert euch dabei „ein wenig“ in den Gassen. Achtet natürlich immer darauf nicht wirklich verloren zugehen und den Überblick zu bewahren. In Marrakech kann das schnell passieren und man kann es den Einheimischen dann nicht verübeln, dass sie sich – gewitzt wie sie sind – eine „private Stadtführung“ entlohnen lassen. Ohne natürlich dafür vorher einen Preise zu nennen. Tretet den Menschen offen und respektvoll gegenüber, mit einer Brise gesunder Vorsicht in zweifelhaften Situationen, dann werden sie es euch wahrhafte Einblicke in das Land und Leben geben. Dies gilt nicht nur für Marrakesch, sondern für das ganz Marokko!

Unser Weihnachtsabend und die darauffolgenden vier Tage waren ein einmaliges Erlebnis. Sicherlich auch mit Glück, denn sowohl die Menschen die wir trafen, als auch unser Riad waren genau das wonach wir suchten. Doch die Reise war noch lang nicht zu Ende. Nun ging das Abenteuer erst einmal richtig los. Weitere zwei Wochen lagen vor uns, quer durchs Land. Mit unserem Mietwagen überwanden wir das atemberaubende Atlas-Gebirge und erreichten zum Sonnenuntergang die ehrwürdige Ksar Aït-Ben-Haddou, eine aus Lehm befestige Stadt, die als eine Festung entlang der alten Karawanenstraße zwischen Timbuktu und Marrakesch galt.

Die Wege der Weisheit führen durch die Wüste (Sprichwort der Beduinen)

Etwas außerhalb von Aït-Ben-Haddou übernachteten wir in der traumhaften alten Defat Kasbah , die wir nur eine Nacht zuvor gebucht hatten. Generell haben wir unsere Route dank des Mietwagens flexibel und spontan entschieden und manchmal auch erst vor Ort das passende Quartier für eine Nacht gesucht. In Marokko war das möglich und unkompliziert. Alle die uns vorher warnten mit Sätzen wie: „Ihr könnt als Mädels nicht allein durch das Land reisen“ oder „Mietwagen? Auf keinen Fall! Zu gefährlich!“ – sollten Unrecht behalten. Wo wir hinkamen standen uns mit viel Gastfreundschaft die Türen offen. Das fahren in Marokko war kein Problem und ein Erlebnis für sich. Nur auf diese Weise konnten wir das ganze Land sehen, die Vielfalt der Farben, Landschaften und Vegetation. So konnten wir überall für ein paar Schnappschüsse stoppen oder einfach das Panorama genießen. Allerdings haben wir gemieden, in der Dunkelheit zu fahren. Da in Marokko viele Menschen lange Strecken zu Fuss zurücklegen müssen, ist die Gefahr groß jemanden nachts nicht zu sehen.

Nach einem unvergesslichen Abend, eingemummelt in Wolldecken unter freien Sternhimmel, Tee und Omelett auf Berber Art sowie einem Spaziergang durch einen Palmengarten hinauf zur Kasbah, setzen wir unsere Reise Richtung Südosten fort. Vor uns lag die malerische Straße entlang der größten Oase des Magreb, das Val du Draa.

Am Ende des Weges erreichen wir Zagora. Letzte größere Bastion vor der Sahara. Mit Glück tauchten wir hier drei Tage tief in die Kultur der Marokkaner ein. Lernten die Geschichte des Landes besser kennen, erfuhren mehr über die Unterschiede in Lebensweise und Alltagsbräuchen zwischen dem Volk der Berber mit ihrer traditionellen Nomadenkultur sowie den Arabern und fanden in dem Künstler Saadine einen aufgeschlossenen Reiseleiter. Vor uns lag nun nur noch die Wüste.

Mit unserem Fahrer und Guide Hicham rasten wir vier Stunden lang zu den Dünen von Erg Chegaga. Geleitet wurden wir durch die meditative Musik der Tuareg-Band Tinariwen und einem einfachen Kompass, da dort draußen jedes GPS versagte. Als nach Stunden am Horizont der Hammada (Steinwüste) sich endlich die ersten Sanddünen wölbten, konnten wir unseren Augen nicht trauen. Wie eine Fata Morgana näherten wir uns dem Tor der Sahara. Zu schön, um wahr zu sein. Bis heute verstehe ich nicht, wie man in einer solchen Postkarte landen kann! Noch bevor wir unser Camp erreichten, war uns klar: Am liebsten würden wir einfach bleiben!

Als die Sonne das letzte Mal den Horizont streifte, verabschiedeten wir oben auf der Düne bei einem Tänzchen und mit einer Flasche Pastis in kosmischer Zweisamkeit ein aufregendes Jahr. Während Schatten und Licht vor unseren Augen ihr närrisches „Hasch-mich“-Spiel zum Tagesende vollzogen, begannen im Camp bereits die Trommel zur Silvesternacht zu schlagen. Am Lagerfeuer zelebrierten wir mit neugewonnen Freunden die Nacht und brachten beim „Bleigießen“ ein Stück deutsche Hexerei in die Wüste. Zu tiefst betrübt der Sahara bereits Lebewohl zu sagen, traten wir nach unserem Kamelritt zum Neujahrsmorgen die Rückreise nach Zagora an.

Mit unserem kleinen Auto gibt es von dort weiter Richtung Atlantikküste: Taroudannt, das Vallé du Paradis und das malerische Surfer-Domizil Taghazout waren die nächsten Stopps auf unserer Route. Überall wurden wir verzaubert und überrascht. Sowohl von der Schönheit der Landschaft, als auch den Gesprächen und Begegnungen, die wir erlebten. Zum Schluss entspannten wir schließlich die letzten Tage in der Fischerstadt Essaouira am Atlantik.

Blaue Stunde könnte ich diese letzte Etappe nennen. Hier lohnt es sich einfach die Seele baumeln zu lassen, am Strand Spaziergänge zu machen, Couscous und Tajine zu schlemmen, ein authentisches (!) Hamam der Einheimischen aufzusuchen und das bunte Treiben der Fischer am Hafen zu beobachten. Essaouira gab unserem Bild eines pittoresken und umwerfenden Landes den letzten Farbtupfer. „Marokko dein Licht und deine Wärme bleiben unvergessen. Wir kommen ganz sicher zurück!“ ♥

(c) all pictures by Helen Hecker