Travel: Why I love you, Amsterdam

Berlin ist lässig, pulsiert und ist cool. Das merkt man spätestens dann, wenn uns der spanische Tourist in gebrochenem Englisch versucht mitzuteilen, wie sehr er uns um unsere (Wahl)Heimat beneidet. Allerdings ist Berlin nicht der Mittelpunkt der Erde. Das macht sich spätestens dann bemerkbar, wenn der nächste Städtetrip realisiert wird.

Als Kind war ich überall. Mit dem Auto durch die Schweiz, nach Italien und von dort aus über das Meer. Wir waren in Skandinavien, in Afrika und ich glaube, auch irgendwo in Russland. Schliefen auf 4000 Meter Höhe bei -10 Grad im Zelt, weil mein Stiefvater diese eine Route des ADAC Off-Road-Führers unbedingt ausprobieren musste. Dass ich mit meinen 9 Jahren allerdings Tode starb, weil ich die Murmeltiere, die nachts um unser Zelt huschten für grausam mordende Bären hielt, das war eher nebensächlich. Ich überlebte außerdem die Gondelfahrt hoch zum Ätna und in einem der Metéora-Klöster in Griechenland wurde ich auch nicht abgegeben. Cluburlaub? Nur was für Schwächlinge. Die Dauer unserer Urlaube betrug Minimum 4 Wochen. Mit dem Alter kam die Eigenständigkeit und die traurige Gewissheit, dass all das was ich bereits von der Welt sah, sich nur vage wiedergeben lässt. Als 9 Jährige ist ein Sonnenuntergang kein romantisches Spektakel, für dass es sich lohnt, den Akku der Kamera leerzuknipsen. Es ist ein Sonnenuntergang; nicht mehr und nicht weniger. All diese Abenteuer habe ich genossen – aus den Augen und mit der Geduld eines Kindes. Im Mai bin ich 25 geworden. Das Kindergeld ist passé und somit auch irgendwie die Kindlichkeit in Hinblick auf gewisse Dinge. Ganz egal wie alt, eine Stadt hat in all den Jahren des Herumreisens einen bleibenden Eindruck hinterlassen – Amsterdam. Es folgt eine kleine Liebeserklärung:

Foto 06.06.17, 03 01 00

Während ich meine Pommes in Frietsaus ertränke, feststelle, dass Bitterballen nicht wirklich mein Fall sind, die Stroopwafels und Frikandellen dafür aber umso mehr zu schätzen weiß, realisiere ich wie sehr ich dich, Amsterdam, liebe. Und nun wo ich dich erneut besuche, die Airbnb Wohnung am liebsten kaufen würde und die Wanne mit Chocomel befüllen und darin baden möchte, frage ich mich noch immer: Warum eigentlich? Du bist weder so groß wie New York, noch so jugendlich wie Berlin oder gefährlich-reizvoll wie Rio. Nicht einmal Strawberry Haze, Bubba Kush oder Sour Diesel bringen mich auf öffentlicher Straße in spannende Schwierigkeiten. Und auch wenn der Supermarkt direkt gegenüber zu sein scheint, die Gracht uns am Ende dennoch 20 Minuten voneinander trennt; die Blumenvielfalt vor jeder Haustür können über diese temporäre Trennung hinwegtrösten. Tatsächlich ist der Weg zum Vondelpark als Fußgänger der reinste Spießrutenlauf, da der Tod durch bekiffte oder überambitionierte Fahrradfahrer absolut sicher ist. Dieser Park ist irgendetwas zwischen Hasenheide, Central Park und Tiergarten – mit zu vielen Joggern. Ich bin mir nicht sicher ob es an der Aufbruchstimmung nach Feierabend liegt, den Massen an sportlichen Menschen um mich herum oder der Jahreszeit. Irgendetwas lässt mich tiefenentspannt zurück, wenn ich mich an die 3 Tage in Amsterdam erinnere. Vielleicht habe ich mich auch einfach nur dem vor Glückseligkeit gelähmten Dasein als Touristin hingegeben, 2 bis 12 Joints zu viel geraucht und komplett auf alles gepfiffen. Und vielleicht muss ich auch gar nicht herausfinden, was mich an Amsterdam so fasziniert.

Foto 06.06.17, 02 39 07

Vermutlich sollte ich die Tatsache genießen, vollkommen stoned wie ein müder Seestern im Park liegen zu dürfen, mir die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen und die Lockerheit und Zufriedenheit, die mir die Bewohner Amsterdams vermitteln, aufzusaugen. Denn Berlin mag zwar cool, lässig und pulsierend sein, ist mir mittlerweile etwas zu cool, zu pulsierend und zu lässig. Berlin entwickelt ich in vielerlei Hinsicht in die falsche Richtung. Ich kann dagegen wenig tun, und so versuche ich keine großen Vergleiche zu ziehen. Nein, jede Stadt ist auf ihre Weise aufregend, aber genug der GNTM-Floskeln. Während ich diese Zeilen tippe scheine ich zu verstehen, weshalb ich Amsterdam so mag. Es scheint das Wechselspiel aus gesellschaftlich akzeptierter Vernebelung, dem für uns Verbotenen und dadurch lässig Jugendlichem zu sein, das sich mit einer Energie vermischt, die sich aus allgemeiner Zufriedenheit und Herzlichkeit zusammensetzt. Selbstverständlich, nicht jeder Bewohner Amsterdams ist ein ausgeglichener, Stroopwafelknabbernder Mensch, der toll fahrradfahren kann und in einer wundervoll bunt bewachsenen Haushälfte wohnt. Aber gerade das ist es, weshalb ich diese Stadt immer wieder besuchen werde. Von allen Orten die ich jemals besuchen durfte, erscheint mir die Illusion der Vollkommenheit in Amsterdam am angenehmsten und akkuratesten. Ich könnte noch Tausend weitere Dinge aufzählen die auch dem letzten Amsterdam-Hater aufzeigen, warum Hass zwecklos ist. Aber da ich nicht für die Einsicht Anderer zuständig bin; zu guter Letzt mein liebstes niederländisches Sprichwort: „Het leven is geen zoete krentenbol.“ („Das Leben ist kein Rosinenbrötchen!“)

Tot gauw!