Fritz Kalkbrenner geht übers Wasser (Interview)

Diese Woche ist es soweit: Der Berliner Ausnahmeproduzent Fritz Kalkbrenner veröffentlicht nach zwei Jahren endlich ein neues Album und geht mit „Ways Over Water“ einen weiteren stilprägenden Schritt Richtung musikalischer Transformation und Weiterentwicklung.

Wo andere Produzenten und DJs seines Formats von ihren anspruchsvollen Tour-Kalendern aufgerieben keine Energie mehr für die Studioarbeit übrig haben, bastelt der Berliner fleißig an neuen Werken und verfeinert dabei hörbar seinen Sound. „Ways Over Water“ wurde in den Suol-Studios in Kreuzberg produziert und beweist einmal mehr die Eigenständigkeit des Künstlers. Beim Anhören des dritten Studioalbum wird offensichtlich, dass Kalkbrenner seinen Sound gefunden hat und sich nun mit aller Ruhe an die Optimierung der Details macht. Dies lässt den Longplayer im Gesamteindruck noch einmal reifer wirken, als seine Vorgänger. Der Sänger und DJ setzt bei der Mischung natürlich wieder auf die für ihn so typisch melodischen Basslines und verleiht ausgewählten Tracks mit seiner markanten Stimme beinahe einen Hymnencharakter. Uns verrät er in einem Interview was musikalischer Fortschritt für ihn bedeutet, warum die letzten Jahre maßgebend waren und was den perfekten Mix ausmacht.

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Lange haben wir darauf gewartet, „Ways Over Water“ bahnt sich ab Freitag seinen Weg in die Plattenläden der Welt. Aufgeregt oder Routine?
Also aufgeregt bin ich nicht. Eher so … zuversichtlich. Ganz so hektisch wie früher ist man da nicht mehr.

Wenn du dein neues Werk mit drei Worten beschreiben müsstest, dann wären diese?
Vielleicht: Besser, älter, grüner. (lacht)

Das heißt, du bist zufrieden?
Aktuell bin ich sehr nah an dem dran, was ich machen möchte. Es gibt ja immer so eine Diskrepanz, die man als Musiker auch nicht los wird. Das heißt, man hat immer eine gewisse Idealvorstellung, an die man sich annähert. Und derzeit habe ich das Gefühl, dieser sehr nah auf den Fersen zu sein.

Kaum ein anderer deutscher Produzent und DJ hat in den letzten Jahren eine solch Genre übergreifende Vielfalt in seiner Musik bewiesen, wie du. Soul, Funk, Hip Hop und House Beats. Gibt es für dich überhaupt so etwas wie einen Genrezwang und wo würdest du dich selbst einordnen?
Einen Genrezwang gibt es nicht. Das ist durch die Diversifizierung der elektronischen Musik eh alles ad acta gelegt worden. Das geht soweit, dass jeder heute seine eigene Schublade hat, wo manchmal sogar nur noch ein Künstler reinpasst. Apparat klingt eben so, wie er klingt und da gibt es nicht viel Vergleichbares. Auch wenn einige vielleicht nicht den ganzen Weg mit mir mitgegangen sind und das verneinen würden, bin ich natürlich immer noch ein Kind der House- und Technokiste. Und auch wenn ich da ganz doll am Rand schabe, würde ich es doch sehr gut heißen, wenn man mich in diesem Feld noch eingemeinden würde. Da gehör ich hin.

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Und was hälst du von Crossover?
Das ist immer eine Fallentscheidung. Es gibt DJ`s die das ganz meisterlich machen und es gibt Leute, bei denen es ganz furchtbar klingt. Eklektizismus ist ja ein Schimpfwort. Es ist immer eine Gratwanderung den Stileinfluss hochzuhalten, aber dabei weiterhin einen Kern zu vertreten. Also Hip House zum Bespiel ist meiner Meinung nach einen ganz schlimme Sache. Das muss sehr behutsam gemacht werden. Geht schnell in die Hose.

Was macht für dich ein gutes Album aus?
Am besten ist es, wenn es auf ganzer Länge stimmig ist. Ich weiß, dass das Konzept „Album“ immer unbeliebter wird bzw. vielleicht besser gesagt, in den Hintergrund rückt. Immer öfter ertappt man Leute dabei, die meinen, dass das Albumkonzept aus der Zeit gefallen wäre. Was ich persönlich so nicht sehe. Ich bin immer noch ein Freund davon, ein Album von Anfang bis Ende durchzuhören. Das rührt aus der Zeit, in der ich musikalisch aufgewachsen bin und die mich geprägt hat. Aber es gibt eben auch andere, die sagen das eine Single und eine EP heute ausreicht und es keinen Überspannungsbogen mehr braucht. Ich möchte aber davon erst einmal noch nicht loslassen, da ich eine große zusammenhängende Arbeit spannender finde.

Haben Spotify und andere Streaming Dienste deiner Meinung nach einen Anteil daran, dass das Konzept Album in den Hintergrund tritt?
Das auf jeden Fall. Dies liegt nicht einmal an dem technischen Umstand der Streambarkeit – die Büchse der Pandora kann man eh nicht mehr schließen – sondern vielmehr an der Art der Zugänglichkeit. Die sogenannte allseits beliebte „SuchFu“ hat hier großen Anteil daran. Damit meine ich die Suchfunktion und gleichzeitig den Zustand der Vernetzung. Also wenn ich zum Beispiel irgendetwas von Wolfgang Voigt geil finden, dann suche ich das und klicke anschließend nur noch auf „Klingt so ähnlich wie“. Folglich läuft die Playlist runter und die Konzentration auf den einzelnen Künstler nimmt ab. Logarithmen geben sozusagen einen begleitenden Teppich vor und das ist sehr sehr Schade.

Wie würdest du dein Leben seit deinem Durchbruch von 2008 beschreiben? Hat sich etwas verändert und wenn ja, wie?
Ja. Einiges sogar. In erster Linie bin ich persönlich vor allem älter geworden. Unglaublich aber wahr. (lacht) Nein, aber Spaß beiseite. Natürlich hat man schon vorher Musik gemacht, aber durch die Möglichkeit diese auch einem breiteren Publikum zu präsentieren, erreicht alles eine höhere Ebene. Zum Beispiel eben durch die Produktion eines Longplayers. Es findet dann die Metamorphose zum Beruf statt und glücklicherweise hat das in meinem Falle gut geklappt. Es gibt auch Leute, denen das irgendwann zuviel wird und die ihr künstlerisches Schaffen durch die ganzen Begleiterscheinungen, die es immer gibt, verraten fühlen. Man hat keine andere Wahl und muss ein Stück Geschäftsmann sein. Ich hatte das Glück daran zuwachsen und wirklich sehr viel Shows in der Zeit zu spielen. Demzufolge ist dies dann doch recht schnell vergangen. Ich bin letztlich froh darüber, wie ich in den letzten Jahren dem künstlerischen Kern, den ich erreichen möchte, immer einem Stück näher gekommen bin. Davor gefeit sich zu verlaufen, ist man natürlich nie. Aber das ist bis jetzt glücklicherweise nicht passiert.

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Steht der Albumtitel „Ways Over Water“ dann auch für neue ungewöhnliche Wege im Leben des Fritz Kalkbrenners?
Also der Auszug aus dem Titeltrack steht eigentlich für die Metapher, das wirkliche Probleme im Leben oft unüberwindbar scheinen, wie das Meer selbst. Der Sinn dahinter ist, dass man meistens erst mit der Auseinandersetzung des Problems die Wege über das Wasser sucht. Das gab es für mich in der Vergangenheit natürlich auch und diese Erfahrung, die man im Englischen auch „rock bottom“ nennt – also am Nullpunkt angekommen zu sein – ist sehr prägend. Am Ende ist es ein Erfahrungswert, der einen nicht mehr loslässt. Umso schmerzvoll es auch war, man ist danach um eine große Erfahrung reicher und ganz froh darüber, weil sich so natürlich auch die Sichtweise ändert. Unter diesem Gedanken ist das Album entstanden.

Woher nimmt ein Künstler wie du seine täglichen Inspirationen?
Das sind meistens kleine punktuelle Dinge, die einen im Leben begegnen. Dafür muss ich zum Bespiel nicht an den Rhein fahren, um mich dort hinzusetzen. Ich muss die Inspiration nicht jagen. Vielmehr ist es ein tägliches „Durch-das-Leben-Gehen“ und so sammelt sich langsam alles an. Da gibt es keinen wirklichen Beeinflussungspunkt, den man sich einprägt.

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Erinnerst du dich noch an dein erstes Mal an den Plattentellern?
Die aller allererste Show?… puhhhh… lange her. Es war natürlich hier in Berlin. Ich glaube, es war ne halböffentliche Party im oder neben dem L.U.X., hier gleich in der Nähe. Ja, da habe ich gespielt. Mit einer geistig  Tage langen Vorbereitung. Das war damals noch nicht so leicht für mich. Hat sich dann ja aber glücklicherweise gelegt. (lacht)

Was hörst du gerade in Dauerschleife?
Ähm… immer noch Jungle mit ihrem Album Jungle. Und Pop Ambient hab ich jetzt wieder für mich entdeckt. Das ist die Ambient Compilation die Kompakt rausbringt. Markus Guentner und so. Also ganz sphärisch.

Last but not least: Mit was willst du nie aufhören?
Man soll ja jede Ausschließlichkeit vermeiden, aber sagen wir mal so, das Musikschaffen liegt mir schon sehr am Herzen. Es kann natürlich sein, dass es mir irgendwann so zum Hals raushängt, dass ich Landschaftsgärtner werde. Aber ich nehme stark an, dass es mich noch ganz lang begleiten wird. Ganz egal ob man veröffentlicht oder einfach nur jeden Tag im Studio bastelt ohne dabei wirklich einen neuen Track zu produzieren. Es wär schön, wenn das bleibt.

Ja, das wünschen wir uns auch. Danke, Fritz.

Wer Fritz Kalkbrenner live erleben möchte, der sollte sich die Termine der Ways-Over-Water Tour fest in den Kalender eintragen:

26.12.2014 Leipzig (Haus Auensee)
27.12.2014 Dresden (Reithalle)
17.01.2015 München (Zenith)
23.01.2015 Bremen (Pier 2)
24.01.2015 Hamburg (Sporthalle)
29.01.2015 Frankfurt (Batschkapp)
31.01.2015 Berlin (Columbiahalle)
07.02.2015 Köln (Palladium)
12.02.2015 Nürnberg (Löwensaal)

www.fritzkalkbrenner.de
facebook.com/fritzkalkbrennerofficial