Sicily part 3: Palermo mon amour!

Nachdem ich euch in den vergangenen zwei Wochen mit auf meine Reise von Stromboli durch den sizilianischen Süden genommen habe, endet unser kleiner Trip nun im pulsierenden Herzen der Insel: Palermo. Müsste man diese Stadt und ihre Bewohner mit einem Wort beschreiben, dann wäre dies sicherlich: widersprüchlich. Für mich gibt es keinen Ort, der mehr Kontraste und Leidenschaft widerspiegelt. Beinahe vier Jahre habe ich in der Hafenstadt mit der geheimnisvollen Aura gelebt und sie dabei bis auf den letzten Winkel erkundet. Doch Palermo lässt sich nicht so leicht in die Karten schauen. Die Stadt gleicht einem Gespenst: uralt, schauerlich schön und nie greifbar. Warum? Ich werde versuchen für euch das Geheimnis zu entschlüsseln…

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Kommt man das erste Mal in Palermo an, ist man schnell überfordert. Ein fast lähmender Verkehr verstopft die Adern der Stadt. Überall wird gehupt, gebrüllt, gepfiffen und geschwitzt. Und das Problem mit dem Müll ist auch nicht zu leugnen. Doch Palermo, wäre nicht so einzigartig, wenn hinter der dem Chaos nicht das Gesicht einer schönen Wilden schlummern würde. Hält man kurz inne und sieht genau hin, dann verwandelt sich der urbane Dschungel in ein malerisches Poem. Ich könnte stundenlang durch die kleinen Gassen der über 2000 Jahre alten Stadt schlendern und mich vom Zauber der maroden Stadtvillen und den lebhaften Straßenmärkte inspirieren lassen. Palermo trägt eine versteckte Schönheit in sich, die nicht offensichtlich zur Schau getragen wird, sondern erst auf den zweiten Blick spürbar ist und im Gedächtnis bleibt. Viele verschiedene Herrscher und Völker haben über die Jahrtausende hinweg versucht Palermo zu erobern. Angefangen mit den Phönizern, über die Griechen, Römer, Araber, Normannen bis hin zu den deutschen Staufern, den Franzosen, den Spaniern und schließlich auch der Cosa Nostra. Alle haben sie ihre Spuren in der sagenumwobenen Stadt hinterlassen. Man erkennt sie in der Architektur, in der landestypischen Küche und den kulturellen Eigenheiten. Heute wohnen inoffiziell circa eine Million Menschen in Palermo und noch immer bietet sie Obdach für viele verschiedene Kulturen und Lebensarten.

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Oberstes Gebot bei einer Expedition durch die Stadt: sich treiben lassen. Nicht nur die vielen Sehenswürdigkeiten wie die Kathedrale, der Normannenpalast, die unheimlichen Kapuziner Katakomben oder die weltgerühmte Oper Teatro Massimo sind einen Besuch wert – Palermo muss erlebt werden, in all seinen Facetten! An erster Stelle wären da meine zwei Lieblingsmärkte Ballarò und Lo Capo zu nennen. Das Wort „bunt“ bekommt hier eine neue Bedeutung. Gemüse, Obst und Kräuter allen Couleurs, frischer Schwertfisch, Vongole, Salsiccia und die beliebten Schnecken „Babbalucci“ – auf dem Markt versteht man, was der Mittelpunkt im Leben eines jeden Sizilianers ist: Essen! Der Markt ist Treffpunkt und Ort zum täglichen Austausch über den neuesten Klatsch und die aktuellen politischen Eskapaden. Wer nicht die Möglichkeit hat die typischen Produkte am Herd in ein Festmahl zu verwandeln, dem empfehle ich vor allem drei Geheimtipps in der Altstadt: Mittags sollte man unbedingt die „Pasta alla Trapanese“ mit frischen Tomaten und Pinienkernen im Caffè del Càssaro probieren oder die Antipasti im „Basile“ bestellen. Ein absolutes Muss für den Abend ist das Restaurant Ferro di Cavallo in der Via Venezia. Einfach einmal quer durch das Menü schlemmen, denn hier kann man nichts falsch machen.

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Auch nachts spielt die Musik dann im wahrsten Sinne des Wortes auf der Piazza. Wer das echte palermitanische Nachtleben kennenlernen will, muss zur Vucciria. Früher noch einer der meistbesuchtesten Straßenmärkte, ist die Vucciria heut vor allem abends bevölkert. Unzählige Bars, Essens- und Grillstände laden zu einem Gelage ein, das bis in die Morgenstunden andauert. Dabei tanzt man unter freiem Himmel und hat das Gefühl, dass Palermo nie schläft. Der Dokumentarfilm „Vucciria“ des deutschen Filmmakers Markus Lenz gibt einen guten Eindruck über diesen einzigartigen Ort und seine traurige Geschichte des Verfalls.

„Die Vucciria ist voll von verschiedenen palermitanischen Lebenswelten und ein Spiegelbild der vielschichtigen Veränderungsprozesse, denen die Stadt unterlag. Verfallen und gebrechlich auf den ersten Blick, schlummert in ihr noch das alte, vergangene Palermo und flackert auf, wenn ihre Bewohner anfangen zu erzählen“

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Ein besonderes Erlebnis während meines diesjährigen Palermobesuchs war das PAM Festival im Innenhof des prunkvollen Palazzo Steri. Bei diesem Open Air kam ich schließlich auch musikalisch auf meine Kosten. Highlight der ersten Edition des Open Air Sommerfestivals mitten im Herzen der Altstadt war der Auftritt des attraktiven Singer und Songwriters Fabrizio Cammarata. Der gebürtige Palermitaner verzaubert sein Publikum mit wahrhaftigen Texten, gefühlvollen Gitarrenriffs und einer Brise Melancholie, die auch weit weg von Sizilien ein Stück Sehnsucht wachwerden lässt. In seinem Video „Alone and Alive“ durchquert er seine Heimatstadt und gibt dabei ein authentisches Bild Palermos wieder. Fabrizios neues Album Skint and Golden wird Ende September released. Für mich ist es nur eine Frage der Zeit bis wir auch in Deutschland mehr von Fabrizio hören.

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Das Meer ist bei aller Faszination für die Stadt nie weit: Mondello, einer der schönsten Strände Siziliens ist in 20 Minuten zu erreichen oder man begibt sich auf Exkursion ins nahgelegene Naturschutzgebiet Capo Gallo. Aber auch ein Spaziergang zum Foro Italico lohnt sich. Von dort aus hat man einen entrückten Blick auf den heiligen Berg Monte Pellegrino und den Hafen der Stadt. Letzterer ist einer der größten Passagierhäfen des Mittelmeeres und gab der Palermo ihren Namen. Die alten Griechen tauften die Stadt „Panhormos“, was so viel bedeutet wie großer Hafen. Bis heute ist er das Tor zum Rest der Welt. Hier liegt der Anfang und auch das Ende unserer Sizilien Reise. In unserem Fall verabschieden wir uns mit einem weinenden Auge.

all images © Helen Hecker