Mit Rap aus anderen Ländern, ist das so eine Sache. Oft sind unsere Ohren nur an das gewöhnt, was wir verstehen. Deswegen hört man hierzulande leider hauptsächlich deutsche und englische Rhymes. Warum jedoch auch italienischer Hip Hop seine Qualitäten hat und was in der Szene am Stiefel Europas gerade so abgeht, habe ich für euch auf dem diesjährigen Beat Full Festival erkundet. Seid ihr bereit? Dann macht euch locker und dreht die Beats auf...

Ich bin ganz ehrlich. Auch wenn ich seit Jahren in Bella Italia ein- und ausgehe, vom hiesigen Hip Hop hatte ich bisher kaum Ahnung. Vieles was ich von italienischen Freunden kannte war mir früher oft zu soft oder traf nicht meinen Geschmack für derbe Beats und stufenlose Reime. Sicherlich lag das damals auch an meinen begrenzten Italienischkenntnissen, die bei beschleunigt rappendener Geschwindigkeit so gut wie nutzlos waren. Heute hat sich das zum Glück geändert. Auch wenn mir einige Passagen im Slangs noch flöten gehen, verstehe ich mittlerweile, dass es hier nicht immer sanft zur Sache geht.

Vergangenes Wochenende habe ich gelernt, dass man nicht unbedingt alles bis aufs letzte Wort verstehen muss, um dennoch völlig abzugehen. Auf dem internationalen Hip Hop Festival Beat Full im süditalienischen Palermo gaben sich eine ganze Riege hochkarätiger Reimemonster das Mikro in die Hand. Vom Reggae-Old Star Alborosie bis zu jungen Talentsprossen wie Quentin40 oder Palermos Trap-Hoffnung Dirt’O Malley sowie Überraschungsrappern wie Claver Gold war eine ganze Bandbreite aufregender Künstler am Start.

Den ausschlaggebenden Grund für meine Begeisterungsstürme lieferten jedoch die beiden Wortakrobaten Rancore und Noyz Narcos, die dem Publikum ordentlich einheizten und für nickende Köpfe und wippende Arme bis in die letzte Reihe sorgten. Zieht man sich die Lyrics der beiden Rapper aus der römischen Talentschmiede rein, wird einem noch mehr bewusst: Italienischer Hip Hop hat nichts mit „Amore und Mandolinen“ zu tun, sondern gibt tobend und hitzköpfig ordentlich eins auf die Acht.

Kandidat Nummero Uno, Monsieur Rancore (dt. Zorn), macht seinem Namen alle Ehre. Der Sohn eines kroatischen Vaters und ägyptischen Mutter begann bereits im Alter von 14 Jahren seine musikalischen Gehversuche. Mit anfänglicher Distanz zur lokalen Hip Hop Szene schrieb das Talent seine ersten Texte und erlebte seinen Durchbruch vor allem als begnadeter Freestyler auf zahlreichen Battles und Jams. Rancore ist anders als die meisten, vor allem seine Underground-Produktionen mit DJ Myke beweisen, das Hip Hop auch akustisch funktioniert. So stand der „Philosoph“ des italienischen Hip Hops auch in Palermo mit Live-Band auf der Bühne.

Sein Rap ist dabei nicht nur metrisch und technisch exzellent, sondern vor allem ein linguistisches Juwel. Mit seinem neuen Album „Musica per bambini” (dt. Musik für Kinder) präsentierte der Artist nun ein Album, mit dem er vor allem daran erinnern will, „dass die Monster unterm Bett nicht plötzlich verschwinden, sondern sich nur wo anders verstecken.“ Wohl war: Rancore ist kein leichter Ohrenschmaus, sondern direkt, zornig und gleichzeitig zynisch-melancholisch. Und genau deswegen so absolut brillant.

Höhepunkt des Festivalabends war jedoch die Show des Altmeisters Noyz Narcos. Der Magier des italienischen „Hardcore Rap“ gilt als einer der einflussreichsten Rapper des Landes und ist ein zeitloser Garant des römischen Hip Hop. Wenn man das „Schlitzohr“ wirklich verstehen will, ist ein Blick auf seine Karriere zweifellos ratsam. Der ehemalige Writer begann seine Laufbahn als Mitglied des berühmt-berüchtigten Truceklan, der den italienischen Hip Hop nachhaltig prägte. Im Gegensatz zu vielen anderen seiner Kollegen verfolgte er jedoch immer wieder seinen eigenen Weg und Style, und bewies dabei über die Jahre Wandlungsfähigkeit, die jedoch nicht an seinem Wesen nagte.

Noyz‘ Rap ist roh, heftig und meist mit wiederkehrenden Horrorfilm- und B-Movie-Themen gespickt. Neben Hip Hop-Idolen wie NAS oder Necros wurde sein Style vor allem auch durch den Punk und Metal beeinflusst. Das bewies die Legende auch auf der Bühne: Ein unfassbares Energiebündel! Unterstützung, die nicht nur Erwähnung sondern höchstes Lob für glorreiche Beats verdient, bekam er dabei von seinem Freund und Beatmaker DJ Gengis Khan, der ihm seit der ersten Stunde begleitet. Sein aktuelles Studio-Album „Enemy“ soll zur Trauer der zahlreichen Fans leider sein letztes sein. Doch wie sagt man so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt!

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