Überall in den deutschen Metropolen wird der Ruf nach mehr kulturellen Lebensräumen und kreativer Stadtplanung laut. Bestes Beispiel dafür ist das bekannte Berliner Holzmarkt-Projekt, das als eines der ersten bewiesen hat, das alternative Ideen und Kreativität Gentrifizierung und Großinvestitionen standhalten können. Heute lässt sich die bunte Vielfalt von Pampa, Holzmarkt, Kater Blau & Co. kaum mehr aus Berlin wegdenken. Und dennoch müssen Kulturschaffende, Künstler, Vereine und andere Akteure immer wieder gegen lokale Bebauungspläne von Politikern und Investoren kämpfen. Wir trafen Amon Nanz, Club-Mitgründer JackWho und Initiator von „Wir sind die Stadt“, und haben mit ihm über die Probleme urbaner Stadtentwicklung und die Zukunftsvisionen für kreativen Freiraum gesprochen.
Mit eurer aktuellen Petition macht ihr euch für den Erhalt des Kulturstandorts Ehrenfeld in Köln stark. Was verbirgt sich dahinter und warum ist Initiative wichtig?
Ich bin seit über 4 Jahren für die Institution JACK IN THE BOX e.V. tätig, alles ehrenamtlich. Mit vier weiteren Mitstreitern haben wir daraus den Club JackWho gegründet, den wir leider nur anderthalb Jahre betreiben konnten. Beides ist seit nun fast einem Jahr aus der Kölner Landschaft verschwunden. Ich höre immer noch viele Stimmen, die sagen, dass es der schönste Club in Köln war und JACK IN THE BOX ein enorm wichtiger kultureller Schmelztiegel. Ein Ort für unterschiedliche Projekte und einer bunten Mischung für alle Stadtbewohner. Ein Ort an dem Bekanntschaften geknüpft wurden, sozialer Austausch und Kommunikation stattfand, aber auch künstlerische und berufliche Ideen verwirklicht wurden. Nicht nur die ersten „andhim“ Tracks sind dort entstanden, sondern auch Events wie der Olympus Photography Playground, das Telekom Electronic Beats Festival und viele weitere Marktformate. Es gab auch eine offene Werkstatt, an die viele Arbeitsplätze angedockt waren. Zudem sind im Club viele großartige Künstler aufgetreten, darunter DJs und Produzenten wie Richard Dorfmeister, Midland, Âme und Recondite. Nun kämpfen wir um den Verbleib bzw. die Rückkehr auf das Gelände. Wir alle haben wahnsinnig viel Energie sowie Zeit dort rein gesteckt und waren stets im Gespräch mit dem Eigentümer. Auch die Bezirkspolitik hatte uns unterstützt und auf das Gelände gesetzt. Nun brauchen wir Unterstützung, um den Druck zu erhöhen und die Relevanz für die Bewohner und die Stadt sichtbar zu machen.
Der Abriss hat begonnen…
Wie wollt ihr künftig den kulturellen Freiraum in Köln mitgestalten? Gibt es kreative Ideen?
Wir haben seit etwa einem Jahr ein Konzept vorgelegt, welches von einem Profiteam aus Immobilienentwickler, Juristen und Architekten auf seine wirtschaftliche Machbarkeit geprüft und als belastbar bewertet wurde. In dem Konzept vereinen wir sämtliche Nutzungsmöglichkeiten aus den Bereichen Soziales, Kultur, Kreativwirtschaft, Ernährung, Sport und Lebensqualität.
Gibt es Beispiele und andere Projekte an denen ihr euch orientiert?
Um sich ein ungefähres Bild zu dem Konzept oben machen zu können, kann man unser Projekt in etwa mit dem Holzmarkt in Berlin vergleichen. Um von ihren Erfahrungen zu profitieren, stehen wir bereits seit geraumer Zeit mit den Betreibern des Holzmarkts in regen Kontakt. Natürlich angepasst an Kölner Bedürfnisse. Weitere Beispiele wären „Utopia Stadt“ in Wuppertal und das Gängeviertel in Hamburg.
Kann man den strukturellen Wandel in den Innenstädten der deutschen Metropolen wirklich aufhalten?
Dies ist eine sehr schwierige Frage. Grundsätzlich können und wollen wir den Wandel gar nicht aufhalten, aber wir möchten ihn mitbestimmen. Nennen wir es „begleitende Gentrifizierung“. Wenn sich niemand dafür einsetzt und der Verwaltung, Politik und vor allem privaten Eigentümern und Großinvestoren auf die Finger schaut, werden immer häufiger Rendite orientierte Investitionen das Stadtbild prägen und antiseptische Quartiere ohne Lebensqualität und kultureller Begegnung entstehen. Deswegen ist meiner Ansicht nach, nicht die Frage wichtig, ob man es kann, sondern ob man es sollte und muss. Die Frage lautet: In was für einer Stadt bzw. Welt wollen wir leben?
Wie können Neubauprojekte und Kunst sowie Kultur miteinander in Einklang gebracht werden?
An erster Stelle stehen dabei zwei entscheidende Aspekte: Zum Einen die Mietpreise und zum Anderen die nachbarschaftlichen Beziehungen in Sachen Lärmemissionen. Unser Ansatz ist dabei, dass es immer Lösungen und Kompromisse gibt, wenn man sich mit der Materie auseinandersetzt. Manchmal sind die Antworten recht einfach, manchmal etwas komplizierter, aber nicht unlösbar. Beim Lärmschutz ist es zum Beispiel eine Frage der Architektur und der Maßnahmen, die man ergreift. Beim Mietpreis muss der Eigentümer eventuell auf die Maximalrendite verzichten, den Mietern etwas entgegen kommen und den Mehrwert für seinen Standort erkennen. Oder man arbeitet mit Quersubventionierungen. Das Wichtigste ist jedoch die Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten. Unser Motto ist ganz klar: Kooperation statt Konkurrenz. Wir müssen weg vom ich ich ich, vom höher, schneller, weiter und maximalen Gewinnmargen, und wieder hin zum „wir“.
Man muss Dinge anpacken, Leute an einen Tisch bringen, strategisch denken, kommunizieren, etwas Mut und Power gehört auch dazu, Ego runter fahren und Leute von seinen Vorhaben und Ideen überzeugen.
Was kann man aktiv als Einzelner unternehmen, um sich für kulturelle Projekte stark zu machen?
Konkret für unser Vorhaben kann man die Petition der Kulturschaffenden in Ehrenfeld unterschreiben. Ansonsten finde ich, dass man lieber gemeinsam mit vielen an einem Strang zieht, als einzeln zu agieren. Denn nur dann wird man gehört und hat eine gewisse Relevanz. Zum Glück haben wir uns hierfür ein entsprechendes Netzwerk über die Jahre erarbeitet. Am Ende zählt jedoch wie immer: Einfach machen! Man muss Dinge anpacken, Leute an einen Tisch bringen, strategisch denken, kommunizieren, etwas Mut und Power gehört auch dazu, Ego runter fahren und Leute von seinen Vorhaben und Ideen überzeugen. Sätze wie „das wird doch eh nichts“ habe ich schon in meiner Schulzeit aus meinem Wortschatz verbannt, denn ich habe eine Menge Dinge erreicht, in dem ich sie angepackt habe. Jeden Tag hört man soviel Gejammer, aber nur wenige Beteiligte treten wirklich in Aktion. Daher: Los Leute labert weniger und packt mit an, es wird überall Hilfe benötigt und man kann sich wunderbar engagieren! Am Besten zusammen! Unsere Kampagne heißt deswegen auch „Wir sind die Stadt – Kultur verbindet!“
Eine Kreativ-Werkstatt, offen für alle!
Wie sieht dein Traum von einer Stadt der Zukunft aus?
Bei meinem Traum geht es vor allem um Menschen und deren Zusammenleben. Ich träume von Lebensqualität, Freiräumen, weniger Verkehr und bessere Luft zum Atmen, von einer gesünderen Ernährung und Versorgung mit regionalen Produkten in der Stadt, von einem friedlichen, bunten und sozialen Miteinander, kulturell wertvollen Ereignissen, weniger Konsum, mehr Mitgestaltung, Integration und Interaktion, Orten für Spiele und Sport, guten Arbeits- und Wohnbedingungen, bezahlbaren Mieten, weitsichtigen Politiker und Stadtplanern. Ich träume von einer Stadt in der Gerechtigkeit zählt und Demokratie verstanden wird. Im Grunde geht es um eine möglichst große Anzahl von zufriedenen Menschen und nicht um die Gier und die egoistische Gewinnmaximierung einiger weniger ganz oben. Denn was bei uns passiert, ist im Grunde genau das, was in allen Bereichen passiert, das Geld übernimmt die Macht und entscheidet über alle anderen. Das ist der Alptraum und das möchte ich verhindern.
Wenn ihr die Petition der Kulturschaffenden in Köln unterstützen wollt, dann könnt ihr hier unterschreiben.
Mehr Infos zum Thema und den Hintergründen findet ihr auf openpetion.de und auf FB.