Wie Überwachung funktioniert, das wissen wir alle irgendwie. Dass viele unserer Schritte, vor allem in Großstädten, aufgezeichnet werden ist uns bewusst. Als Einzelperson für seine Privatsphäre einzustehen hingegen ist schwer. Videoüberwachung müssen wir wohl oder übel hinnehmen. Egal ob Bundeskanzleramt, U-Bahn Station, Supermarkt oder öffentliche Ämter – jeder Schritt wird überwacht. Dass es dabei im Einzelnen nicht einmal wirklich um uns als Mensch mit halbwegs weißer Weste geht, geriet da schnell in den Hintergrund. Videoüberwachung soll Sicherheit schaffen, schürt aber zunehmend Unbehagen. Wer sitzt da hinter der Kamera? Wie viel Raum erfasst eine solche Kamera? Aus welchem Grund wird überwacht?
Paul-Ruben hat sich dieser Thematik angenommen und Orte in Berlin und darüber hinaus genauer unter die Lupe genommen. 2017 hat er sich anlässlich seiner Masterarbeit im Regierungsviertel, an verschiedenen Botschaften und der Zentrale des Deutschen Geheimdienstes (BND) in Berlin, der Gasverteilerstation sowie der Polizeistation in Erfurt aufgehalten und die wirkliche Reichweite von Videoüberwachung untersucht. Im Zuge dessen entstand das fotografische Projekt ,,Beschattung“. Wie das funktioniert? Digitale Kamerasensoren werden, wie das menschliche Auge, mit voranschreitender Dunkelheit blind. Allerdings ist es möglich, mit Infrarot LEDs sowie Restlichtverstärkung das Kameraauge sehen zu lassen.
Er erklärt diesen Vorgang wie folgt: ,,Handelsübliche Überwachungskameras (für Objektbewachung) leuchten mit Infrarotlicht Eingänge, Räume und komplette Plätze aus. Dieses Licht ist für das menschliche Auge nicht sichtbar. Jedoch können andere (modifizierte) Kameras ebenfalls das von der Überwachungskamera emittierte Infrarotlicht erfassen und als Lichtquelle für eigene Aufnahmen nutzen. Somit ist es möglich, den überwachten Bereich – soweit öffentlich zugänglich – ausfindig zu machen oder sogar versteckte Kameras zu enttarnen.“
Durch diese Licht- und Schattensetzung gelingt es, einen zunächst unsichtbaren Bereich kenntlich zu machen und einen eigentlich wenig erforschten Bildraum durch Umrisse zu erkennen und erahnen zu können, welchen Raumumfang die Kamera einzufangen versucht. Doch welchen Nutzen haben all diese Erkenntnisse? Handelt es sich hierbei nämlich nicht nur um ein künstlerisches Fotoprojekt, sondern zu gleichen Teilen um eine wissenschaftliche Arbeit. Paul erläutert, dass ,,der eigentliche immaterielle Bildraum in eine stoffliche Welt übertragen wird und Strukturen zum Vorschein bringt, die eigentlich nur dem Bewacher zugänglich sind. Das schwierig erfassbare Dispositiv der Überwachung wird somit für den Betrachter erfahrbar gemacht und soll zu einer öffentlichen gesellschaftlichen Debatte anregen.“
Paul-Ruben selbst ist 1989 geboren und studierte an der Bauhaus-Universität Weimar als auch an der Mimar Sinan Universität in Istanbul Fotografie und Medienkunst. Ausgezeichnet wurde er bereits mit dem Canon ProfiFoto Förderpreis und dem Leica Upcoming Masters Award 2016. Und als wäre das nicht schon genug, gründete er gemeinsam mit Freunden das Magazin HANT – Magazin für Fotografie. Wir finden, dass es mehr solcher Projekte braucht, um ein öffentliches Bewusstsein für alltägliche Überwachung zu schaffen. Um zu verstehen, dass wir nicht nur von den Menschen beobachtet werden die uns umgeben. Diese Tatsache gerät oft in Vergessenheit und sorgt dafür, dass kaum eine kritische Auseinandersetzung stattfindet. Egal ob Gegner oder Befürworter von Videoüberwachung; ein ziemlich interessantes und aufschlussreiches Projekt, dass Aufmerksamkeit verdient.