"Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen", so oder so ähnlich hieß die selektive Zauberformel im Märchen Aschenputtel. Heute heißt es dann wohl eher: Dismissed! Oder, MATCH!

Der Drang zur Selektion liegt dabei höchstwahrscheinlich in der Natur der Sache. Wir selektieren und werden selektiert! Seien es unsere Vorlieben, Nachrichten, Klamotten, Instagramfotos, Ernährungsweisen, Jobs, Tinder-Matches oder etwa unser Stil zu Leben. Vielleicht mehr als je zuvor stehen wir täglich vor der Qual der Wahl. Das Ausstellungsfestival unselect rückt daher zum zehnjährigen Jubiläum des studentischen Kuratorenkollektivs Kleine Humboldt Galerie 10 Tage lang das Thema in den Fokus des künstlerischen und gesellschaftlichen Interesses. Wir besuchten eine der Ausstellungen am Wochenende und warfen einen entschiedenen Blick auf dieses großartige Projekt. Noch bis zum 9. August 2019 habt auch ihr die Chance euch schlau zu machen!

Sängerin J.Lamotta präsentiert eines der Fashion Art Outfits der Künstlerin Susi Hinz

Ausgehend von dem alltäglichen und omnipräsenten Phänomen der Selektion thematisieren die zehn Ausstellungen des Festivals unselect die natürlichen Auswahlmechanismen und kulturellen Selektionsmuster in unserer Gesellschaft. Bereits die Evolutionstheorie Charles Darwins steht sinnbildlich für das Streben des Menschen unsere Umwelt durch physikalische Experimente und mathematische Modelle zu erklären und greifbar zu machen. Dabei setzen wir uns oft über die Regeln der Natur hinweg und nehmen einen entschiedenen Einfluss auf den Planeten, der ebenfalls zum Selektionsfaktor wird. Wir erschaffen unsere eigenen Parallelgesetze, die wiederum geprägt von unserem kulturellen Verständnis den Prozess der Selektion vorantreiben. Egal ob Wissensaneignung, Ernährungsweisen, der Umgang mit Medien oder unser oftals rastloses Streben nach Effizienz. Sei es der Algorithmus im Internet, die auf uns zugeschnittene Werbung oder eben Tinder – unsere Umwelt ist von menschengemachten Vorauswahlen durchzogen.

Die Kleine Humboldt Galerie (KHG) ist eine Initiative zur Konzeption und Realisierung von Ausstellungen an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie wurde ursprünglich 1978 von Mitarbeiter*innen der Humboldt-Universität und Berliner Künstler*innen gegründet und ist mittlerweile nach einigen Veränderungen bei der 205. Ausstellung angelangt. Während unselect einen Monat lang im Hauptgebäude des Lichthof Ost eine Ausstellung zeigt, die an die 10-jährige Tradition der Kleinen Humboldt Galerie anknüpft, finden an neun anderen Orten weitere Ausstellungen und Performances für die maximale Dauer von einem Tag statt. Jede der Veranstaltungen widmet sich einem ganz spezifischen Thema, das sich kritisch mit der Selektion beschäftigt. Darüber hinaus gibt es für die Besucher*innen weitere Workshops, Führungen und Vorträge, die inspirieren und zum Nachdenken anregen.

Bei unlucid in den Gewächshäusern der Humboldt-Uni in Dahlem am Wochenende zum Beispiel wurde die Wahrnehmung von membranen Strukturen, wie der Haut, und deren wechselseitigen Beziehungen untersucht. Die Gruppenausstellung hinterfragt organische Prozesse, ihre Transformation und Oberflächengestaltung in ihrer Vielfalt. So präsentierte beispielsweise die Künstlerin und Designerin Susi Hinz ihre farbenprächtigen Modeschöpfungen, die durch ihren unkonventionellen Stil faszinierende Kunstwerke darstellen.

Die Kreationen der eigenwilligen Künstlerin verknüpfen dabei haptische und ideelle Erfahrungen durch die Verwendung unterschiedlicher Materialien und Symbole. Nicht nur als stoffliche Membran, die den Menschen von der Umwelt trennt, sondern auch als Bindeglied zwischen zwischen innerer Botschaft und äußerlicher Wirkung, stiften die Designwerke Identität und Ausdruck im Detail. Von gedruckten Zeichnungen der Designerin über Bilder von Angela Merkel bis hin zu Barack Obama, appellierenden Werbebotschaften und „gepamperten“ Eigenwitz über Künstlertums, übermittelten die eigentümlichen Kleidungsstücke kritische Botschaften in neuem Gewand.

Künstlerin Susi Hinz in ihrer eigenen Kreation.

Neben Susi Hinz präsentierten zu dem die Künstler*innen Jan Bernstein, Benjamin Blaquart, Eva Gentner, Miriam Gronwald, Duc Pham, Sascha Pohflepp, Agnieszka Szostek und Chris Woebken ihre organischen und artifiziellen Strukturen durch Beiträge und Performances. Weiter geht das Ausstellungsfestival in den kommenden Tagen mit vielen weiteren Shows an vielen faszinierenden Orten Berlins.

Detaillierte Infos zum Kollektiv, den Künstlern und dem projekt findet ihr unter hier.