Eigentlich wollten wir euch bloß die neue Single der bald erscheinenden 88rising Compilation ,,Head In The Clouds II'' zeigen, sagen wie gut sie geworden ist, Joji loben und die Sache abhaken. Dass hinter 88rising allerdings weit mehr steckt als ein paar Kids, die gute und massenkompatible Musik produzieren, Asiens neue Musikszene repräsentieren und mehr von Ästhetik verstehen als manch Designer, wollten wir so dann doch nicht stehen lassen. Lasst uns also einen Blick auf ein Musiklabel werfen, das seine eigenen Regeln schreibt und erstaunlich gut damit fährt.

“For the first time, Asians had caught up to the West.“

88rising ist kein Hype, das schon mal vorweg. Bereits seit 2015 repräsentiert das Label rund um Jaeson Ma und Sean Miyashiro asiatische Hip Hop- sowie Popkultur und bringt frischen Wind in den kommerziellen Musikmarkt. Künstler aus 5 verschiedenen asiatischen Ländern, darunter Indonesien, Japan und China beliefern nicht mehr nur den fernen Osten mit Rap/Hip Hop, RnB oder Trip Hop, sondern erreichen mit ihren Produktionen ein neues Level an Massentauglichkeit.

Sie sind auf Mission – denn Sean Miyashiro hat es sich zur Aufgabe gemacht ein ,,Zuhause“ für all die Kreativen da draußen zu erschaffen, die im medialen Überfluss bislang untergingen. Dass dieses ,,Zuhause“ nicht nur als klassisches Musiklabel funktioniert, sondern auch noch Content für Youtube, Kollaborationen mit Designern und passend zur eigenen Kochshow auch Hot Sauce produziert, versteht sich in 2019 beinahe von selbst. Alles erinnert an die Anfänge von Odd Future. Talentierte Kids die Spaß haben wollen, sich gegenseitig verarschen, währenddessen coole Klamotten tragen und Musik machen. Nie so unkritisch, um als infantil durchzugehen und nie so erwachsen, dass es ihnen den Spaß an der Sache rauben könnte. Niki, Rich Brian oder Joji decken in ihrer künstlerischen Divergenz so ziemlich alles ab, was es momentan benötigt um die Masse, die ununterbrochen nach mehr verlangt, zu befriedigen.

Trotz allen Erfolges ist es jedoch bezeichnend für die westliche Musikindustrie, dass Joji der bislang einzige asiatische Künstler ist, der es mit seinem Album BALLADS 1 in die US R&B/HipHop Billboard Charts auf Platz 1 geschafft hat. Anders als K-Pop, der im westlichen Raum mit Ausnahme von BTS immer noch als Nischengenre gesehen wird und relativ schleppend Anklang findet, kann man sich mit Hip Hop auch hierzulande identifizieren. Und genau das macht sich 88rising zu Nutzen. Ganz gleich ob Pop oder Rap, Künstler wie Niki oder Rich Brian, Higher Brothers oder Keith Ape, sie alle repräsentieren ihr Genre in bilingualer Perfektion und gleichbleibender Professionalität in Anlehnung an westliche Standards. 88rising ist cool, trendy, urban, hip, eben all das was gerade für gut befunden wird. Fashion Collaborations mit GUESS oder ganze selbstorganisierte Festivals dürfen da natürlich nicht fehlen.

Sean Miyashiro denkt groß und vor allem in sämtliche Richtungen wenn es um sein Label geht, und das zahlt sich aus. So sehr, dass 88rising Features mit 21 Savage, Snoop Dogg, Ghostface Killah oder GoldLink vorweisen kann. Es wird nicht versucht aus Scheiße Gold zu machen, untalentierte Künstler durch Autotune talentiert wirken zu lassen oder Genres umzuformen. Altbekannte popkulturelle Mechanismen wie das Aktualitätsprinzip treffen auf zeitgemäße Ästhetik, Witz sowie Charme und sprengen mit der Rückbesinnung auf Herkunft und Heimat die Grenzen massenmedialer Kommunikation.

Aufwendige Videos, bunte Farben, stylische Kids die allesamt Hypebeast Reakteure sein könnten und Texte die von unerfüllter Liebe, guten Nächten mit Freunden oder der kraftraubenden Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen handeln gehen in ihrer konzeptionellen Gesamtheit gut auf. Rap muss nicht mehr nur böse sein, um als Rap anerkannt zu werden. Das festgefahrene Image des Gangster Rappers löst sich nach und nach vom Rap und erlaubt endlich ein wenig Spaß, Selbstironie und Kreativität.

Es geht hier also nicht nur um Rap oder Hip Hop im Allgemeinen. Es geht allumfassend darum, verkannten asiatischen Künstlern einen Platz auf dem westlichen Musikmarkt einzuräumen, damit sie ihre Geschichten erzählen können. Es geht nicht um Integration eines einzelnen Künstlers sondern viel mehr darum, inklusiv zu denken. Es bedarf schlichtweg mehr kultureller Vielfalt am Markt und 88rising ist dies gelungen. Das Klischee des Asiaten oder der Asiatin, die nur gebrochenes Englisch spricht, sich ausschließlich durch K-Pop identifiziert und immer gleich schüchtern das Peace-Zeichen formt ist nicht das wahrhaftige und vor allem einzige Abbild fernöstliche Jugendkultur. Es dauert vielleicht noch, bis der Rest der Welt verstanden hat wie sinnvoll Diversität im Musikbusiness ist. Bis dahin versprüht 88rising einfach weiterhin ziemlich erfolgreich double happiness, denn dafür steht die 88.