Was ist eigentlich los da draußen? Lassen wir uns mehr und mehr von Angst und Panik packen? Das Herz rast, der Körper ist Schweiß gebadet, die Lunge hyperventiliert und auf einmal verschwimmt der Rest der Welt. Wir sind allein, mit der Angst. So oder so ähnlich muss sich eine Panikattacke anfühlen. Immer mehr meiner Freunde haben mir von dieser Erfahrung berichtet und mich dabei stutzig gemacht. Sind Panikattacken ein Phänomen unserer Zeit? Wer ist davon betroffen? Und was passiert wenn plötzlich eine ganze Generation an einer kollektiven Angststörung leidet?

Im vergangenen Jahr bin ich immer wieder mit dem Thema Angst und Panikattacken in Berührung gekommen. Anfänglich hatte ich davon keine große Ahnung und habe mir darunter immer eine Art kleine Krise vorgestellt. Also ähnlich einer Situation vor der Prüfung und einem wichtigen Meeting im Job: Jede Menge Stress, Schiss vorm Versagen und dann lief es am Ende doch irgendwie. Jedoch häuften sich die Fälle von Panikattacken in meinem Freundeskreis und mir wurde bewusst, dass so ein Moment nicht nur einfach „Kopfkino“ bedeutet, sondern dass dabei der ganze Körper schlapp macht. Ein Warnschuss!

Wachsen die Aufgaben über uns hinaus oder wachsen wir an unseren Aufgaben?

Bei meiner Recherche über die Ursachen von Panikattacken, habe ich herausgefunden, dass sie eine Art „Liebesbeweis“ bzw. Schutzfunktion unserer Psyche sind. Sie treten genau dann auf, wenn wir die Signale unseres Kopfes ignorieren, dem schon längst klar ist, was ihm nicht passt: Längst überfällige Entscheidungen, ein mieser Job, unglückliche Beziehungen, sozialer Druck, Überforderung! Ursachen gibt es viele und bei jedem wird Angst durch die unterschiedlichsten Komponenten hervorgerufen. Viel entscheidender ist jedoch: Warum häufen sich die Ängste bei immer mehr Menschen?

Immer funktionieren, immer präsent sein, nie zurückschrecken.

Europaweit leiden etwa 60 Millionen Menschen an Angststörungen und in Deutschland zählen sie zu den häufigsten psychischen Erkrankungen (DGPPN). Interessant ist, dass augenscheinlich immer mehr junge Menschen anfällig für Panikattacken werden und Angststörungen vor allem in Verbindung mit sozialen Phobien und dem Konsum von Sozialen Medien entstehen können. Push-Nachrichten rasseln über uns herein, wir wollen bloß nichts verpassen, immer up-to-date sein und erreichbar rund um die Uhr! Vor allem bei Kopfmenschen, macht dies den Druck „Zu funktionieren“ noch größer. Sie wissen dann oftmals nicht, warum ihre Laune plötzlich schwankt, was sie unterschwellig grämt oder warum sie sich gestresst fühlen, auch wenn alles in Ordnung ist.

Als ich mehr und mehr über dieses Thema nachdachte, ist mir ein Gespräch in den Sinn gekommen, das ich diesen September während einer Summer School namens Scuola Politica Gibel auf Sizilien führte. Dabei ging es um die politische Ohnmacht, die viele Menschen – vor allem junge Menschen – heute verspüren und die Fragen hervorrufen wie: Können wir die Welt retten? Ist alles zu spät? Haben wir überhaupt eine Stimme, die zählt? Oder ist so oder so alles egal?

Wenn die Räder der Gesellschaft blockieren.

Während immer mehr Populisten dank intelligenter Panikmache durch Soziale Medien auf ihrer Karriereleiter empor klettern und lautstark mit den Säbeln rasseln, scheint eine ganze Generation innerlich zu blockieren und unaufhörlich vor sich selbst zu erzittern. Dabei meine ich vor allem jene Generation der 30 bis 40-Jährigen zu der auch ich gehöre. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir auf eine kollektive Panikattacke hinsteuern: Viele von uns fühlen ein Unbehagen, im Kleinen wie im Großen. Doch sind wir gut darin dieses Unwohlsein zu betäuben. Sei es durch Erfolg und Geld, durch Partynächte und Drogen oder die beschauliche heile Welt der Kleinfamilie. So lange alles funktioniert, alles so bleibt wie in der goldenen Wiege, in die wir Kinder der Neunziger hinein geboren wurden, solang wird alles gut. Oder?

Doch genau wie bei den echten Panikattacken, lassen sich auch soziale Entscheidungen, Missstände und Versäumnisse über kurz oder lang nicht einfach ignorieren. Unser Klima hängt schief, der Regenwald brennt und ein Großteil der Menschen auf dieser Welt lebt in prekärsten Verhältnissen und macht uns diese sichtbar indem sie ihr Leben dafür aufs Spiel setzen, um zu unseren Ufern zu gelangen. Reagieren wir nicht auf das, was um uns passiert, baut sich Stück für Stück die Angstblase auf, bis sie droht zu platzen. Das Herz beginnt zu rasen, die Luft bleibt aus und uns zieht es den Boden unter den Füßen weg. Und dann?

Machen, statt Panik schieben!

Eine Freundin, die erst kürzlich ihre erste Panikattacke hinter sich brachte, erzählte mir, dass sie danach eine unglaubliche Ruhe empfand. So, als ob sich alles auf einmal entladen hat. Doch was bedeutet diese „Ruhe nach dem Sturm“ bezogen auf unsere Gesellschaft? Frieden nach dem Krieg? Wiederaufbau nach dem Tsunami. Wäre es nicht besser zur Tat zu schreiten, als darauf zu warten, dass sich die Welt mit einem Male entlädt? Müssen wir nicht aufstehen und aktiv werden, anstatt uns Angst machen zu lassen? Nein! Diese Welt und die politischen Entscheidungsprozesse heutzutage sind nicht alternativlos. Ganz im Gegenteil. Es macht keinen Sinn sich von den Trumps, Bolsanaros und Salvinis auf diesem Planeten einschüchtern zu lassen und ihnen das Zepter in die Hand zu geben. Da draußen geht gerade wöchentlich eine junge Generation auf die Straße, um die Dinge zu ändern. Doch ihnen fehlen helfende Hände, das Wissen und die richtigen Methoden dazu! Sie sind unser Warnsignal, dass sich etwas ändern muss. Lasst sie uns vor den Panikattacken dieser Welt bewahren!