Ein echter Pirat, der versteckt sich gern. Fern ab von der Realität. Auf einer Insel, auf der er seinesgleichen ist. Keine Insel für Feiglinge. Nein! Für Abenteurer! Frei, ungezwungen und im Einklang mit der Natur. Kristallklares Meer, geschmeidige Klippen, einer verschlafener Hafen und natürlich eine Taverne, in der zum Sonnenuntergang das Glas gehoben wird. Nicht viele Inseln haben das Potenzial dafür! Alicudi schon!

Entscheidet man sich dazu auf Alicudi zu stranden, dann bereut man es sicherlich nicht. Sie ist nicht nur eine der kleinsten Inseln des Äolischen Archipels vor der Küste Sizilien, sondern auch einer der abgeschiedensten der sieben Inseln. Genau deswegen sollte die Entscheidung hier herzukommen, gut überlegt sein. Denn Alicudi ist anders! Wer auf der Suche nach einem Lido mit Komfort, exquisiten Restaurants oder kleinen Geschäften mit schicken Strandkleidchen und Souvenir-Gedöns ist, der braucht die Reise nach Alicudi gar nicht erst antreten. Diese Insel ist nichts für „Waschlappen“. Hier macht man keinen Urlaub, sondern man LEBT! Und zwar beinahe so wie in vergessenen Tagen.

Das erste was man auf Alicudi lernt: Treppensteigen! Jeder schöne Blick ist mit zahlreichen Stufen und reichlich Schwitzen verbunden! Hier gibt es keine Straßen und erst Recht keine Autos, Vespas oder sonstige Fahrzeuge. Alles wird zu Fuß oder per Boot erkundet und für das Gepäck gibt es einen ganz speziellen Taxi-Service: Mulis! Sie sind die Meister der unwegsamen Wege und Treppen, welche die einzelnen Dorfsektionen der Insel verbinden. Je nach dem wo sich euer Ferienhaus befindet, kann der Aufstieg auch bis zu 1,5 Stunden dauern und über 1000 Treppenstufen in Kauf nehmen.

So zum Beispiel, wenn man Pianicello auf beinahe 500 Metern Höhe erreichen will. Dieser abgelegene Winkel der Insel wurde vor einigen Jahrzehnten von einer deutschen Community neu belebt, die dem atemberaubenden Ausblick und der märchenhafte Stille folgten. Wunderschön gemauerte Häuschen mit immensen Terrassen laden zum Verweilen ein. Elektrizität und fließend Wasser gibt es hier jedoch nicht! Dafür wild romantische Brunnen, Solaranlagen, abenteuerliche Duschen und natürlich viel Kerzen- und Mondschein! Außerdem ist es von hier oben nicht weit zu erloschenen Vulkankrater der Insel. Doch keine Angst auch in der Nähe des bequemen Hafenviertels gibt es wahrhafte Juwele der typischen äolischen Inselhäuser, die sich zwischen ihren weiß gekalkten Gemäuern mit violetten Bougainville und fruchtigen Feigenbäumen schmücken.

Überhaupt gibt es das elektrische Licht auf Alicudi noch nicht allzu lange. Erst in den Neunziger Jahren zog es in die Häuser ein. Außenbeleuchtung und Laternen auf den Wegen fehlen bis heute, dafür strahlen die Sterne in der Nacht umso heller und ein „echter moderner Pirat“ ist eben mit einer gut funktionierenden Taschenlampe ausgestattet. Alicudi macht einem das Inselleben eben nicht unbedingt leicht, dafür aber umso schöner. Genau deswegen trifft man hier vor allem auf jene Menschen, die auf der Suche nach Echtheit und magischen Augenblicken sind.

Dreh- und Angelpunkt ist dabei die kleine Bar „Airone“ und der Mini-Supermarkt nebenan. Spätestens pünktlich zum „Aperitivo“ versammeln sich hier all abendlich jung und alt aus allen Ecken des Eilandes. Auch eine Rasselbande an Hunden und Alicudis Maskottchen, die Ziege Gigi, ist am Start. Mit Spritz Aperol, Vino Bianco, einem kühlen Bier oder der hausgemachten Granita (unbedingt probieren!) wird täglich beim Sonnenuntergang auf das Leben, die Insel und die nächsten 24-Stunden im Paradies angestoßen. Auch wenn der Reiz Alicudis generell im Motto „Nix los“ liegt, gibt es hier dennoch immer etwas zu erleben…

Wer seemannsgetreu die Nacht durchmachen möchte, bis die Sonne erneut mit voller Kraft aus dem Meer emporsteigt, der findet am schwarzen Brett der Bar täglich eine Info, wo die nächste Party steigt. Denn die Arcudari (so nennt man das einheimische Inselvolk, das im Winter übrigens nich mehr als 80 Einwohner zählt) sind wahre Feierfreunde. Nach alter Tradition steigen auch heute noch wilde Feste in den Privathäusern und an den zauberhaftesten Orten des Eilandes. Das Ganze wird dann zu einem Mix aus „La Grande Bellezza“ und einem Open Air Rave für Jung und Alt, bei dem Inselbeuscher und Einheimische gemeinsam bis zum Morgengrauen mit reichlich Gin Tonic durchtanzen.

Auch wenn die Zeit auf Alicudi stehen zu bleiben scheint und der Sommertag entsprechend den schwül warmen Temperaturen in Slow Motion abläuft, wird es hier niemals langweilig. Wer sich nicht einfach nur die Plauze bräunen und im süßen „Garnichtstun“ versinken möchte, der kann entweder in luftige Höhen auf den erloschen Vulkankrater steigen, das Meer mit dem Schnorchel erkunden oder bei einen der lokalen Fischer an Board springen und die Insel umfahren.

Abends gibt es dann den frisch gefangen Fisch zusammen mit feinsten Kapern (Spezialität der Äolischen Inseln), leckerer Caponata, Oliven und feinster Pasta bei lokalen Hobby-Chefs wie Silvio, Pino oder Rosina köstlich zubereitet im „Privatrestaurant“. Für ein fünfgängiges Menü mit süffigem Hauswein auf der gemütlichen Terrasse bezahlt man dann nur schlappe 25 EUR als Festpreis. Spätestens an dieser Stelle kann man sicher sein im Paradies angekommen zu sein. Ahoi ihr Piraten, auf geht’s nach Alicudi!

About Alicudi

Entstanden ist Alicudi aus dem Stratovulkan Filo dell’Arpa, dessen Krater vor gut 28.000 Jahren erlosch und den man heute auf 675m Höhe erklimmen kann. Mit nur 5,2 km² ist sie die zweitkleinste der Äolischen bzw. Liparischen Inselguppe. In der Antike wurde Alicudi von den Griechen wegen des hier üppig wuchernden Heidekrauts Ericusa genannt. Der heutige Name Alicudi, leitet ich wahrscheinlich vom arabischen Namen Ali-Kur ab, was soviel bedeutet wie „Alis Festung“. Vor allem im Mittelalter wurden die Äolischen Inseln über viele Jahre von Korsaren und sarazenischen Piraten überfallen und Tausenden von einheimischen Bauern in die Sklaverei geschickt. Aus diesem Grund liegt das älteste Dorf Alicudis auf 600 Meter Höhe, um Frauen und Kinder vor der Gefahr zu schützen. Die wohl spannendsten Geschichten aus Alicudi spielen sich jedoch wahrscheinlich um die Jahre 1902 bis 1905 ab. In diesen drei Jahren erlag die Insel nämlich einem kollektiven LSD-ähnlichem Trip. Schuld war die versehentliche Brotherstellung mit dem famosen Mutterkorn, einem Getreidepilz aus dem Albert Hoffmann 1938 das erste LSD gewann. Kein Wunder, dass damals über Alicudi angeblich fliegende Frauen den Himmel eroberten und Menschen sich in Schwein verwandelten.

All pictures by Helen Hecker