Vom 30. Oktober bis 3. November fand in der norditalienischen Stadt Turin zum bereits 19. Mal das Club to Club Festival statt. Jährlich steht das 1. Novemberwochenende ganz im Zeichen der Contemporary Art Week. Kein Wunder, dass das schon längst eingesessene Festival an ganzen 5 Tagen Musik feiert, die zeitgenössischer nicht sein könnte.

Das post-industrielle Lingotto, als auch das beeindruckende Officine Grande Riparazioni werden neben einiger Off-Locations Schauplatz von mehr als 50 Shows, von denen 16 exklusiv waren und weitere 11 sogar während der diesjährigen Ausgabe das Italien-Debüt feiern. 100 Künstler aus 5 Kontinenten schickten knapp 20.000 Besucher auf eine Reise durch die zeitgenössischen Musikgefilde. Wir waren zum zweiten mal vor Ort und möchten euch natürlich nicht vorenthalten, warum dieses Festival einen wohlverdienten Platz in unserem musikalischen Herz gefunden hat.

Auf musikalischem Grenzgang: Das Line Up

Würde uns jemand fragen, welcher Musik sich das Club to Club Festival widmet, so könnte die Antwort schwieriger nicht fallen. Die Veranstalter scheinen sich zumindest seit den Anfängen vor 19 Jahren einer Sache sicher zu sein: „There is no genre as long as it’s hot“. Diesem Credo wird auch die diesjährige Ausgabe mehr als gerecht. Unter den knapp 100 Künstlern finden sich mit Sicherheit auch für den größten Musik-Nerd Acts, die ihm neu sind. Aus diesem Grund scheint es ohnehin unumgänglich dem Booking des Festivals zu vertrauen, welches nach Besuch des ersten Festivals aber leicht fällt. Auch in diesem Jahr enttäuscht das italienische Festival nicht und bringt eine Vielzahl von Acts zusammen, die sich zwar irgendwo zwischen elektronischer und klassischer Musik wiederfinden, aber durchweg Lust darauf machen zu erkunden, was sich gerade auf dem musikalischen Markt abseits des Mainstreams bewegt.

An den ersten beiden offiziellen Festivalabenden konzentrierte sich alles auf die innerstädtische Venue OGR (Officine Grande Riparazioni). Während am Mittwoch Slowthai, der Brexit-Bandit, seinen Style aus Grime, Hip Hop und Elektronica oberkörperfrei zum Besten in die Halle bläst, übernimmt am Donnerstag die amerikanische Künstlerin und Ausnahmetalent Holly Herndon die Bühne. Eine Italien-Premiere, schließlich präsentiert sie beim diesjährigen Club to Club erstmals ihr zurecht von Kritikern hoch gelobtes Album „Proto“. Dass das Festival alles andere als gewöhnlich ist, bestätigt bereits ihre Show. Ihre Songs entstehen live in Zusammenspiel aus einem Chor, einem von ihr eigens entwickeltem Programm, das mit Artificial Intelligence arbeitet und ihren düsteren Techno-Produktionen. Ein zeitgenössisches Ensemble aus zeitlosen Volksliedern und Chor-Gesängen, dem das Publikum am Ende ihrer Show nur noch frenetischen Applaus entgegenzubringen hat.

Der erste Abend im post-industriellen Lingotto, einem riesigen Gebäude am Rande der Stadt, steht ganz im Zeichen der beiden Headliner des Abends: James Blake und Flume. Blake, der vor nicht all zu langer Zeit seine große Liebe gefunden hat, betritt an jenem Abend erneut mit einem Lächeln die Bühne und performt neue Songs seines kürzlich erschienenen Albums „Assume Form“, die neben Klassikern wie „Limit To Your Love“ durch sein Konzert navigieren und auf den großen emotionalen Abschluss im neuen Song „Loathe To Roam“ vorbereiten. Dieser endet sein Konzert mit einer 15-minütigen Viervierteltakt-getriebenen Impro-Session und bereit das Publikum auf seinen deutlich progressiveren Kollegen Flume vorbereitet, der nach kurzem Change Over die Bühne betritt und zu einem großen Rave animiert.

Gleiche Bühne, ein Abend später: Ein Abend im Zeichen des Ausnahmetalents Johnny Jewel, der gleich zwei Konzerte hintereinander spielt. Zunächst mit seiner Band Desire, später als Chromatics. Die Pop-Titanen, die gemeinsam übrigens den ganzen Sommer auf Tour waren verabschieden sich mit diesen beiden Konzerten in die wohlverdiente Künstler-Pause. Natürlich nicht, ohne noch einmal Klassiker wie „Kill For Love“, „Running Up That Hill“, „Mirror, Mirror“, „Under Your Spell“ und Cover des New Order Songs „Bizarre Love Triangle“ zum Besten zu geben. Der Applaus für Jewel findet kein Ende – kein Wunder, dass der Titelsong für die erfolgreiche italienische Netflix-Serie „Baby“ noch einmal für die hauptsächlich italienischen Fans gespielt wird, bevor Jewel schließlich schweißgebadet hinter den Vorhängen verschwindet.

Neben den offensichtlichen Headlinern finden sich an beiden Abend allerdings viele Acts, die eine Erwähnung nicht weniger verdient hätten: Skee Mask sorgt Freitag Nacht bis zum Closing mit seinem Mix aus Breakbeats und Ambient Textures für eine volle MainStage. Floating Points eröffnet Samstag den Tanz. Helado Negro zeigt welche grandiose Live Band sie sind während SOPHIE alle Bubble-Bass-Liebhaber zum Rave lockt und all diejenigen zum Tanzen lädt, die vorher noch zu den Love-Songs von Chromatics sanft geschunkelt haben. Natürlich wurde auch am letzten Abend des Festivals gefeiert. Es geht zurück in die Stadt und damit in die kleineren und familiären Locations des Porta Palazzo Market and La Venaria Reale, wo unter anderem SOPHIE einen Surprise Gig spielt. Ein letztes Mal feiern im ursprünglichen Club To Club Flair. We like.

(For the) Music (Lovers) Only: Der Club to Club Vibe

Seit der ersten Ausgabe ist sich das Club to Club Festival einem Credo treu geblieben und hat nicht nur deswegen Pionierstatus erlangt: Es verschränkt sich nicht vor neuen musikalischen Strömungen, öffnet den Transfer in der Musikszene, stößt den Diskurs an and geht Risiken ein. Heute, 19 Jahre nach Start des Festivals macht es das Festival genau zu dem was es ist: Es wird von Musikliebhabern für Musikliebhaber gemacht und das erfordert Mut in Zeiten, in denen es ein Festivalveranstalter nicht immer leicht hat. Das Feeling der ersten Tage ist nur noch manchmal zu spüren, schließlich fahren heute die Rave-Kids nicht mehr wirklich von Club zu Club und dennoch ist sich das Festival treu geblieben und bietet neben vielen verschiedenen Konzerten auch interessante Lectures und Panels, die sich in diesem Jahr unter anderem Themen wie Europa, dem Klimawandel und das Musikgeschäft, 30 Jahre WARP, die Zukunft des Promoters und Genderfragen in der Musik widmeten.

Bereits in den unterschiedlichen Themen des Festival merkt man die Ambitionen der Veranstalter hier Einzigartiges mit Pioniergedanken zu schaffen. Thema der diesjährigen Ausgabe war „La Luce al Buio: Season 2“ und ergründet die interkulturelle Bedeutung von Licht und Dunkelheit. Im Gesamtkonzept findet sich dieses Thema schließlich in der ganzen Corporate Identity, in den Visuals, für die auch in diesem Jahr zum Teil der Visual Artist Weirdcore sorgt und zu guter Letzt auch auf dem Festival-Merch wieder.  Es geht beim Club to Club vom tiefsten Herzen um Musik und ist deshalb auch vorrangig ein Festival für den ehrlichen Musikliebhaber. Schnick Schnack braucht das Club to Club nicht, hat es auch gar nicht nötig.

Resümee: Finest Moments of Pop Avantgarde

Apropos Schnick Schnack: Das Club to Club zeichnet sich durch vier Kernelemente aus, die wenig umschmückt werden: Das Visual Konzept hat Struktur, ist zeitgenössisch und zeichnet sich durch die nahezu perfekte Umsetzung aus. Das Booking des Club to Club ist mindestens ebenso zeitgenössisch, bietet Plattform für Künstler, die verschiedener nicht sein könnten und wagt einen interdisziplinären Spagat. Der Sound auf beiden Stages im Lingotto als auch im OGR ist kaum vergleichbar mit einem anderen Festival und so gut, dass die Künstler den Tontechnikern im Schoß liegen müssten. Nicht zuletzt ist das Festival nicht nur Festival, sondern vielmehr kreativer Hotspot und Plattform für die Musikszene. Das Club to Club startete vor 19 Jahren mit dem Wunsch mehr experimentelle und progressive Musik am Festival-Horizont zu pushen. Mission geglückt. Heute, 19 Jahre später freuen wir uns bereits auf das große Jubiläum im nächsten Jahr. Danke #C2C!

DISCLAIMER
Diese unbezahlte Anzeige entstand mit Unterstützung vom Club to Club Festival.