Warum Farbe? – Warum nicht? Die Welt sei doch nun mal farbig, erklärt Joel Meyerowitz und zeigt gleichzeitig in seinen Fotografien was er damit meint.

Der New Yorker Fotograf, der nur drei Jahre nach der Entdeckung des Farbfilms 1935 das Licht der Welt erblickte, gilt heute als einer der bedeutendsten Street Photographers weltweit. Joel Meyerowitz ist ein Fotograf, der die kuriosen Augenblicke unseres Alltags wie kein anderer zu inszenieren weiß. Das C/O Berlin widmet ihm nun erstmalig in Deutschland eine Ausstellung, die kaum mehr Leuchtkraft haben könnte – nicht nur in puncto Farbe, sondern vor allem als Inspirationsquelle für fotografische Glanzmomente.

Laundry, Provincetown, Massachusetts, 1977

Ich glaube, genau deshalb interessiert mich Fotografie bis heute; die Tatsache, dass die Welt eine unerschöpfliche Kraft besitzt, sich immer wieder neu zu erfinden, hat mich gelehrt, ihr zu vertrauen und darauf zu achten, was sie zu bieten hat. Aus diesem Umgang mit ihr entsteht das eigene Werk.

Um das Werk Joel Meyerowitz‘ zu verstehen, ist es unmöglich nicht an die Anfänge seines Lebens zurückzureisen. Joel wächst als Straßenkind in einer Mietskaserne in der New Yorker Bronx auf. Sein Vater, ein jüdischer Einwanderer schlägt sich als Lieferant und Capo des Wohnblocks durch. Der Junge ist ihm dabei auf den Fersen und beginnt die Welt um sich herum zu beobachten: unerwartete Ereignisse, Komödien und Tragödien des Alltags. So begreift er früh, dass nur die weite Welt, ihm das lehren könne, was sein außergewöhnliches Auge zu entdecken vermag. Das Reisen, als Schlüssel zur Fremde, war hierbei ein erster wichtiger Schritt für seine visuelle Ausdruckskraft. Ihm ging es darum „herauszufinden ob und wie es uns gelingen würde, da draußen allein zu sein.“ Die Fotografie sei ein „einsames Spiel“ und die Freiheit eine wundervolle „Frechheit“, welche ihm ermöglichte, einfach das zu fotografieren, was sich seinem Blick aufdrängte.

Genau dies wird zu seinem Credo und versteckt sich in den Fotografien der Retrospektive des C/O Berlin. Egal ob in den anfänglichen schwarz-weißen Bildern seiner Straßenfotografie oder in den späteren intimen Portraits seiner Serie „Red Heads“. Meyerowitz, der in den Anfangsjahren in voller Hochachtung vom Werk Robert Franks verzehrte, ließ sich stets von seiner Umwelt inspirieren, absorbierte ihre Formen und Farben und machte seinen Blick frei von eigenen Restriktionen. Loslassen! – war sein Stichwort. „Die Welt ist sehr viel bunter und interessanter, als meine Phantasie sich vorstellen konnte, und indem ich dies akzeptierte, lernte ich, unbefangener an die Dinge heranzugehen.“


New York City, 1965

Ein Schlüsselmoment für den Künstler war dabei sicherlich auch die einjährige Reise durch die bunte Vielfalt Europas. Von England über Frankreich, Deutschland, Italien und Jugoslawien bis nach Griechenland, Ungarn, Marokko und die Türkei führte ihn sein Volvo, den er von dem ersparten Geld seiner Arbeit als Werbegrafiker anzahlte und mit dem er das wohl schönste Abenteuer seines Lebens begann: „Ich fand meinen Charakter, sofern man das wirklich je von sich behaupten kann. Ich hatte keine Angst, mich in Orte oder Gruppen oder merkwürdige Situationen hinzubegeben, (…) es war, als ob ich mit einer Kamera in der Hand plötzlich die Erlaubnis bekäme zu sehen (…)“

Chuckie, Provincetown, Massachusetts, 1981

Roseville Cottages, Truro, Massachusetts, 1976

Das Resultat sind die bis heute einzigartigen Momentaufnahmen, voller Ironie, Flüchtigkeit, Phantasie und Leben. Straßenszenen, Landschaften und Portraits, die uns entgegen strahlen. Wolkenkratzer, Schönheitssalons, Billboards und Diners, bunt geschminkte Gesichter und leuchtende Kleider. Während in den ersten Jahren noch der Zufall Hauptmotiv der Bilder Meyerowitz‘ war, beschreibt er in Folge vor allem seine Hinwendung zur Farbfotografie als „Feldversuche“. Er eiferte danach, die Informationen, die uns die Welt mitteilt, in seine Bilder zu übertragen. Und zwar alle Informationen!

Alles, was einem geglückt ist, sollte man auch loslassen können. Ich zwang mich, die zufällige „Begebenheit“ loszulassen, die von Anfang an das Motiv meiner Fotografien gewesen war.

„Jetzt schaute ich mir das gesamte Umfeld an, die Straße, die Aktivität der Menschen, die Gebäude, den Himmel und das Wetter, die Temperatur des Lichts, und all das ohne die inhaltliche Hierarchie, die eine bestimmte Begebenheit normalerweise in der Fotografe entfaltete.“ Wohl genau aus diesem Grund gilt er bis heute als einer der Pioniere der künstlerischen Farbfotografie, die vorher als plakativ und kommerziell verpönt war. Farbe komplettierte seine Sprache und zwang ihn zu konsistenter Qualität. Ein Umstand der sich auf beeindruckende Art und Weise in der Retrospektive des C/O Berlin beobachten lässt. Verpasst nicht eure Chance und besucht diese singstiftende Ausstellung.

Sarah, Provincetown, Massachusetts, 1980

FACTS

Was: Joel Meyerowitz. Why Color? Retrospective.
Wo: C/O Berlin, Amerika Haus, Hardenbergstraße 22–24
Wann: bis 11. März 2018 (11-20 Uhr)
Tickets: 10 EUR, ermäßigt 6 EUR

Für Mehr Infos folgt Joel auf FB oder connected euch mit dem C/O Berlin.

Alle Fotos © Joel Meyerowitz/Courtesy Howard Greenberg