Die erste Station auf der Reise ist die wohl unbekanntere der drei italienischen Städte: Bologna. In Deutschland denkt man bei diesem Namen als erstes wohl an Wanda und Spaghetti alla bolognese. Das Lieblingsgericht aller Kinder hat in Wirklichkeit aber rein gar nichts mit der Hauptstadt der Region Emilia Romagna zu tun und ist mehr oder weniger eine deutsche Erfindung. In Italien kennt man diese Pasta-Variante überhaupt nicht, klärt mich auch der Chefkoch Luca Pappalardo auf. Der Sizilianer hat Bologna seit seiner Studienzeit nie mehr den Rücken gekehrt und gibt heute den Ton in der Küche des neuen Insider-Tipps der Stadt an: Dem Restaurant „Pane e Panelle“.
Luca erklärt mir, dass es in Bologna und Italien den Pasta-Klassiker nur als „Ragù alla bolognese“ gibt. Das wird aber traditionell mit frischen Tagliatelle gegessen oder für die Lasagne verwendet. Niemals jedoch mit Spaghetti. Nun könnte man meinen, dass die Wahl der Pastasorte eigentlich ja egal sei. Vorsicht, nicht in Italien! Hier ist die Pasta heilig und folgt strengen Regeln! Weil Luca versucht Norden und Süden auch in seiner Küche saisonal zu vereinen, bereitete er für uns seine neuesten Kreationen der #Pescidiversi (verschiedene Fische) zu. Dazu gehörten Artischockenherzen mit Palamita und Paprika, Bruschette mit Leber vom Seeteufel und Bignè gefüllt mit Tartar vom Schwertfisch, Shitakepilzen und Tabasco.
Als ich Luca fragte für was Bologna bekannt sei, meinte er für die drei „T“: torri, tortellini, tette. (Auf Deutsch heißt das soviel wie Türme, Tortellini und Titten) Warum? Also das erste der drei Wahrzeichen ist kaum zu übersehen. Bologna hat noch einige der mittelalterlichen „Geschlechtertürme“ zu bieten, die bereits seit über 800 Jahren die Stadt überblicken. Die bekanntesten sind die zwei schiefen Türme „Garisenda“ und „Asinelli“. Es ist noch nicht klar, warum damals so viele Türme erbaut wurden. Manche vermuten, dass es Wehrtürme waren, andere dagegen tippen auf Symbole der Macht und „Potenz“. Wahrscheinlich wird es eine Mischung aus allem sein. Zwischen dem 12. und dem 13. Jahrhundert wurden schätzungsweise 180 Türme errichtet. Heute sind es noch circa 25. Die Aussicht über die Stadt ist jedoch noch genauso schön und sollte man bei einem Bologna-Besuch unbedingt mitnehmen!
Das zweite Wahrzeichen, die Tortellini, gibt es überall in der Stadt frisch (!) zu kaufen. Traditionell werden sie mit „brodo“ (Brühe) gegessen. Doch nicht nur die Tortellini machen Bologna zur Genussstadt. Wer Gourmet ist, kommt hier auf seine Kosten und hat die Qual der Wahl. Überall gibt es kleine Restaurants, Trattorien, Bars und Cafés. Neben den Tortellini gelten vor allem Mortadella, Salami und andere luftgetrocknete Leckereien als Spezialitäten. Auch auf einen Aperitif sollte man vor dem späten Abendessen nicht verzichten! Ein kleiner Geheimtipp von mir: die Osteria del Sole! Dieses Lokal gibt es seit 1465 und funktioniert noch nach dem gleichen Prinzip wie zu mittelalterlichen Zeiten. Man kann seine Brote, Antipasti oder was das Herz begehrt mitbringen und den Wein (und andere Getränke) an der Schenke dazu bestellen. Hier treffen sich seit eh und je vom Bänker bis zum Studenten alle Generationen zu jeder Tageszeit… Ja und das dritte Wahrzeichen, die „Tette“? Ich glaube die sind selbsterklärend :)
Dass sich Bologna zu einer solchen Genussmetropole entwickelt hat, ist übrigens kein Wunder. Schließlich ist es in erster Linie einer der berühmtesten Universitätsstädte Europas. Hier wurde schon 1088 die wahrscheinlich älteste Universität der Welt gegründet! Das bedeutet natürlich auch studentisches Leben weit und breit. Ich durfte das Getümmel zur wohl wichtigsten Phase des akademischen Jahres erleben. Die „Laurea“ ist jener ersehnte Abschluss, den die italienischen Studenten in Tradition mit einem Lorbeerkranz auf dem Kopf, viel Alkohol und Enthusiasmus feiern. Die studentische Seele räumte Bologna übrigens auch für viele Jahrzehnte den Ruf des links-intellektuellen Zentrums Italiens ein. Heute wehen keine roten Fahnen mehr über dem Rathaus. Dennoch spürt man den Spirit der Vergangenheit in allen Gassen!
Dass man in Bologna auch getrost seinen Kopf ohne Schaden verlieren kann, bewies ein kleines unfreiwilliges Experiment, das ich mit einem Freund erlebte. Nach zwei Aperòl Spritz auf der belebten Piazza Verdi in der Mittagssonne, schlenderten wir eine Ewigkeit durch die Stadt. Andrea zeigte mir die wunderschöne Basilika Santo Stefano, die aus sieben zusammengebauten Kirchen besteht, die Piazza Maggiore und schließlich die Osteria del Sole. Als wir diese verließen, viel meinem Kumpel auf, dass er seinen Rucksack verloren hatte. Die letzte Erinnerung führte zurück zum Startpunkt und unserem Aperòl vor rund zweieinhalb Stunden. Nach einem Sprint durch die Gassen gelangten wir zum Piazza Verdi und siehe da, der Rucksack war noch samt Geldbörse und allen anderen Habseligkeiten am gleichen Fleck, mitten auf der Piazza. Mein persönliches Wunder von Bologna!
Wer Bologna also erleben will, der sollte einfach durch die Straßen ziehen und Kultur, Kunst und Lebensgefühl in vollen Zügen aufsaugen. In der siebtgrößten Stadt Italiens geht das sogar ziemlich problemlos bei jeder Wetterlage, denn neben den Türmen ist Emilias Perle vor allen bekannt für seine „Portici“ – unter den Arkaden kann man ganz entspannt ohne Regenschirm oder einen Sonnenstich durch die Stadt schlendern.
Am besten geht das übrigens auf der Suche nach den sieben Geheimnissen Bolognas. Welche das sind hängt ganz davon ab, wer sie euch zeigt. Am besten gefiel mir dabei die wunderschöne Widmung, die man in der Nähe des Piazza Maggiore entdeckt, wenn man in den Portici nach oben blickt: “Panis vita, vinum laetitia, canabis protectio” oder auch: “Das Brot ist Leben, der Wein Freude, Cannabis Schutz!”. Na dann, auf nach Bologna!