Wann wurde zu Hause bleiben eigentlich erstrebenswerter als Ausgehen? Und wer hat eigentlich gesagt, dass es immer nur Extreme sein müssen, die in Konkurrenz zueinander stehen? Ich mein‘, warst du schon mal Samstagabend spazieren? Also so wirklich spazieren. Stundenlang, nicht nur um dir einen Döner zu holen und danach wieder vollkommen erschöpft vom Schmerz der Welt in deine 140x200cm zu fallen? Die Eliminierung von Stress steht dieser Tage im Vordergrund. Zusätzliche Wochenendaktivitäten fallen mit Alltagsstress oft in einen Topf und werden zunehmend gemieden. Höchstens ein Drink, vielleicht zwei. Danach muss ich aber auch wieder los. Muss noch einiges schaffen bevor die Woche wieder losgeht. Etwas müssen. Immer und überall.

Für Faulheit wird sich nicht mehr entschuldigt, sie wird zelebriert.

Spazieren geht man Sonntags. Aber auch nur wenn’s Wetter gut ist. Wenn’s schlecht ist geht man Kaffee trinken für 3,80. Vielleicht noch ein Stück Kuchen für 4,20. Und wenn die Lethargie kickt? Naja, bleibt man halt zu Hause. Hat man sich sogar den Weg zum Café gespart. Für Faulheit wird sich nicht mehr entschuldigt, sie wird zelebriert. Und das ist auch vollkommen okay. In Zeiten der Digitalisierung bekommt das Nichtstun kollektivistischen Charakter und wird mit all seinen Facetten kenntlich gemacht.

Netflix&Chill nervt mich trotzdem. Versteh‘ mich nicht falsch, ich bin die Letzte die etwas gegen 9h Schlaf hat oder sich gegen das allmähliche Wegdösen mit Laptop auf dem Bauch wehrt. Doch weshalb gilt das eine oft als verpönt, wenn etwas anderes einen Hype erlebt? Und wie konnte es bloß dazu kommen, dass die Wochenendgestaltung zu etwas wurde, das man öffentlich in sozialen Netzwerken debattiert? Seit wann hat man sein Leben nicht mehr im Griff, wenn man jedes Wochenende weggeht und wer hat festgelegt, das zu Hause bleiben ab jetzt nicht mehr 3 Tage stinken bedeutet?

Der Konsumrebell und neugeborene Minimalist in uns sagt entschieden ,,nein!’’ zum nächtlichen Vergnügen außerhalb jeglicher Komfortzonen.

Vermutlich niemand, doch Hygge, Wett-Decluttering und Home Gardening nehmen wohl doch mehr Platz ein als wir uns eingestehen wollen und halten uns davon ab, wie früher gemütlich bei 8 Grad zwei Stunden in der Schlange vor’m Club anzustehen. 15€ Eintritt. Der Konsumrebell und neugeborene Minimalist in uns sagt entschieden ,,nein!“ zum nächtlichen Vergnügen außerhalb jeglicher Komfortzonen.

Aber ehrlich, das da oben ist ernst gemeint. Was spricht gegen die ein oder andere Samstagabend Session draußen in Jogginghose, Schal und dicker Jacke? Einmummeln sagt man dazu. Und einmummeln muss man sich nicht nur im Bett. Dann spazieren gehen, wenn alle anderen die Extreme erleben. Extrem hart auf der Couch liegen oder extrem exzessiv tanzen. Genau dann bist du extrem doll eingemummelt und schlenderst durch die Straßen und merkst, dass die Extreme nichts anderes sind als die Norm und du vermutlich ein Pionier auf dem Gebiet der angemessenen Wochenendbeschäftigung bist.