Was, wenn sich gewisse Dinge nicht kategorisieren lassen? Ablehnen? Ignorieren? Annehmen? Tua ist so ein Fall, denn er vereint genrebezogen all das, was eigentlich ganz gut für sich alleine stehen kann. Heute erscheint Tuas gleichnamiges Album und zeigt uns wieder einmal, dass Musik keine genrespezifischen Grenzen kennt. Was dabei herausgekommen ist? Definitiv nichts, das man ignorieren sollte.

,,Tu‘ das, was dir gut tut“, heißt es. Doch tut es gut über Dinge zu sprechen, die in der Vergangenheit nicht gut taten? Ja. Es ist eigentlich ganz simpel und doch unglaublich schwer, Verarbeitungsprozesse in sich freizusetzen. Viele von uns hören Musik, um sich zu verstehen. Manche machen Musik, um sich näher zu kommen. TUA macht sie – für sich, für uns, für alle. Heute erscheint sein neues Album ,,TUA“, das Themen behandelt die sich, rückblickend betrachtet, sicher nicht immer gut anfühlten. Doch aus diesem Sammelbecken an Tiefschlägen, Prägungen und Erfahrungen ist ein weiteres komplexes Album entstanden samt Ästhetik, die sich definitiv vom Einheitsbrei der Tage abhebt. Lasst uns also einen Blick in das neueste Werk des Reutlingers werfen.

Wer nicht unbedingt inmitten der Großstadt aufwuchs wird sofort verstehen, wenn Tua die Hook von ,,Vorstadt“, dem ersten Track des Albums, rappt. ,,Hochhäuser an ’nem Feld – Vorstadt“. Allerdings muss man nicht selbst in diesen Hochhäusern groß geworden sein um zu verstehen, wie’s abläuft. Die Hierarchien sind klar vorgegeben und wenn du schwach bist, dann solltest du rennen. Dass Tua seine schwierige Vergangenheit in Reutlingen als Sohn eines Ukrainers und einer Deutschen keineswegs glorifiziert und uns als triviale Gangsterrap-Floskeln verkaufen möchte, sollte klar sein. Dass er in ,,Vorstadt“ seine Vergangenheit allerdings in 10-Jahres- Schritten erzählt, uns also nicht nur einen Einblick in einen expliziten Lebensabschnitt verschafft, sorgt für den nötigen Rundumblick, dem es Hip Hop dieser Tage zu großen Teilen fehlt.

Doch ist es angebracht, ausschließlich von Hip Hop zu sprechen? Sicher, gewissermaßen. Dass eine einzige Genrezuschreibung Tua allerdings nicht gerecht wird, merkt man nicht erst seit seinem neuesten Album. Tua ist wie seine Musik – vieles. Und so wie seine Stücke Einflüsse des Breakbeats, Hip Hops, des Elektros aber auch Pops aufweisen, ist er selbst nicht nur Rapper sondern ebenso Sänger, Produzent und nicht zuletzt Teil der Orsons und unterstreicht somit einmal mehr den Kontrastreichtum seines Schaffens. In Zeiten gesellschaftlicher Rasanz und musikalischer Irrelevanz sticht ,,TUA“ heraus und beglückt uns mit einem Konzeptalbum, das von vorne bis hinten aufgeht.

Mit ,,Vater“ hat Tua wohl einen seiner persönlichsten Tracks geschrieben. Thematisiert wird der Tod des Vaters und das Hinübergleiten in einen Zustand des Verlustes und Abschniednehmens, der für viele unaushaltbar erscheint. Tua verarbeitet diesen Lebensabschnitt so außerordentlich präzise, emotional und reflektiert, dass es beinahe schon Angst macht. Angst, weil er hohes Identifikationspotenzial aufweist und einen Zustand beschreibt, der von Lähmung lebt. Diese Lähmung wird durch die Kenntlichmachung der Problematik aufgebrochen wenn darüber gesprochen wird – vermeintlich simpel. Dass es dennoch unglaublich viel Kraft kosten muss, einen Track über den Tod einer geliebten Person zu veröffentlichen, den abertausende Menschen hören können und tagtäglich gestreamt wird, zeugt erstens von Vertrauen in die Fanbase und insbesondere von einer großen Portion Vertrauen in sich selbst als Musiker und Mensch, der etwas zu erzählen hat.

Tua singt und rappt über Verlust. Den guten, den schlechten und den, der für immer bleibt. Allen voran der Verlust der Vorstadt, den des Vaters und einem Leben, das trotz Karriere zu ihm gehört. Er ordnet ein und reflektiert. Er feilt an Tönen und Worten, bringt sie zusammen und alles was entsteht ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was er thematisch behandelt. Er macht aus etwas Schmerzvollem etwas, das Schmerz lindert – nämlich Musik die sich gut anfühlt. Und nein, das ist nicht paradox, das ist Kunst in seiner reinsten Form.

Happy Release Day!

Wer Tua live erleben möchte, kann das kommenden Winten übrigens hier tun:

23.11.19 DRESDEN // PUSCHKIN
24.11.19 LEIPZIG // NAUMANNS
25.11.19 NÜRNBERG // HIRSCH
26.11.19 MANNHEIM // ALTE FEUERWACHE
27.11.19 MÜNCHEN // TECHNIKUM
28.11.19 WIEN (A) // DAS WERK
30.11.19 AARAU (CH) // KIFF
01.12.19 STUTTGART // IM WIZEMANN
02.12.19 FRANKFURT // DAS BETT
03.12.19 ESSEN // ZECHE CARL
06.12.19 BREMEN // LAGERHAUS
07.12.19 BIELEFELD // MOVIE
11.12.19 MÜNSTER // SKATERS PALACE
12.12.19 KÖLN // GLORIA THEATER
13.12.19 HANNOVER // MUSIKZENTRUM
14.12.19 BERLIN // FUNKHAUS

CREDITS
Weitere Informationen zu Tua und der Chimperatorbande findet ihr unter CHIMPERATOR, INSTAGRAM, FACEBOOK sowie direkt unter TUAMUSIK.DE.