Mindfulness! Seit Jahren wandert dieser Begriff wie ein Zauberwort über die Lippen der unterschiedlichsten Menschen. Freunde, Kollegen, flüchtige Bekannte. Alle erzählten sie mir von "dieser Mindfulness" und priesen sie an, wie ein magisches Relikt. Doch was steckt dahinter? Yoga Hokuspokus oder etwa doch der Schlüssel für Ausgeglichenheit im Alltag? Ich habe einiges dazu gelernt, das ich nun mit euch teilen möchte.

Vielleicht kennt ihr das Gefühl von Ohnmacht, wenn der Wecker klingelt, ihr unfreiwillig die Augen aufreißt und sich bereits der erste Schritt aus dem Bett wie ein unüberwindbares Hindernis anfühlt. Nicht nur euer Körper ist müde, sondern vielmehr euer Geist. Manchmal wird der Alltag einfach ohne einen triftigen Grund grau, andere Mal bröckeln alle wichtigen Säulen im Leben gleichzeitig: Liebe, Job, Zu Hause. Genau dann wünscht ihr euch einfach auf Reset zu drücken. Doch was bei unseren Smart Devices vorprogrammiert ist, stellt sich im Leben als extrem schwierig dar.

Ein Reset-Button, den ich gerade teste, nennt sich Achtsamkeit oder auch Mindfulness. Mein Start 2019 war schlichtweg ein Albtraum. Obwohl ich anders als noch vor zehn Jahren schwierige Phasen mittlerweile mit mehr Leichtigkeit überwinde, sehnte ich mich diesmal nach einer Wunderwaffe. Meine Schwester drückte mir ein Buch in die Hand: ACHTSAMKEIT stand in großen Lettern auf dem Cover. Ich war skeptisch. Weder konnte ich bisher mein inneres Feuer für Yoga entfachen, noch bin ich ein Freund von spirituellen Trends. Gleichzeitig wusste ich von Freunden, die Meditation ausprobiert hatten, dass Umdenken oft nützlich sein kann, und ich fand bereits auf den ersten Seiten viele Erkenntnisse wieder, die sinnvoll klangen.

PUTZEN UND DUSCHEN GEGEN GEDANKENSPRÜNGE

Das größte Problem in Momenten der Unzufriedenheit ist es, dass unsere Gedanken häufig entweder zurück in die Vergangenheit springen und Dinge bedauern, die längst geschehen sind. Oder sie springen in die Zukunft und widmen sich alldem, was wir gern besitzen, ändern oder machen würden. Dadurch breitet sich in uns eine innere Unzufriedenheit aus. Und wenn dann auch noch alle Stricke reißen, ist schnell das Drama da. Besonders auffällig sind unsere Gedankensprünge bei immer wiederkehrenden Handlungen im Alltag: Zähneputzen, Duschen, Putzen. Da wir die Abfolge kennen, schalten wir unsere Aufmerksamkeit beinahe automatisch ab und begeben uns auf eine Zeitreise. Probiert dagegen diese alltäglichen Augenblicke als Übungsterrain zu nutzen. Anstatt zum Beispiel beim Zähneputzen an das zu denken, was als nächstes auf der To-Do-Liste steht, könnt ihr den inneren Druck abbauen, wenn ihr bei dem bleibt, was ihr gerade macht.

Ein alter Zen-Meister erklärte seinen Schülern das Geheimnis seiner inneren Zufriedenheit: „Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich esse, dann esse ich. (…) Sicher liegt, geht und esst ihr auch. Aber während ihr liegt, denkt ihr schon ans Aufstehen. Während ihr aufsteht, überlegt ihr, wohin ihr geht, und während ihr geht, fragt ihr euch, was ihr essen werdet.“

MENTALE NOTIZEN AUF DEM WEG ZUR ARBEIT

Ein weiterer idealer Moment, um unserer Geist wach zu rütteln ist der Weg zur Arbeit oder ein ausgedehnter Spaziergang. Auch hier driften unsere Gedanken ab. Manchmal lenken wir uns sogar zusätzlich ab, in dem wir auf unseren Smartphones schauen, die nicht immer ausschließlich den aktuellen News dienen. Schnell verpassen wir die U-Bahn Station oder biegen falsch ab. Legt euch daher ein mentales Skizzenbuch an, anstatt unbewusst durch den Alltag zu hasten: Welche Geräusche, Farben und Gerüche nehmt ihr wahr, wie wirken die restlichen Passanten auf euch, was passiert auf der anderen Straßenseite. Ihr werdet merken, dass das Leben plötzlich zu einem Film wird und sich euer Kopf leichter anfühlt. Ganz nebenbei schärft ihr eure Sinne und entdeckt Neues. Ihr schult eure Fähigkeit, das anzunehmen, was da ist. Das ist ein wichtiger Grundsatz, um künftig Situationen besser einschätzen und ändern zu können. Sowohl die guten, wie auch die schlechten Momente.

LEGE GESCHMACKSPAUSEN EIN!

Ähnlich wie beim Gehen können wir auch beim Essen unsere Wahrnehmung schulen. Wann habt ihr das letzte Mal genau definiert, wie etwas schmeckt oder riecht? Frisch, holzig, herb. Versucht zum Beispiel bewusst neue Gewürze oder unbekannte Speisen. Häufig nehmen wir unser Essen auch nebenbei auf oder kochen unter Zeitdruck. Dabei entgehen uns alle Aromen des Lebens. Das „To Go“ hinterlässt meistens eine Spur von Unzufriedenheit und raubt uns die Möglichkeit für echte Pausen. Dabei kann jede Mahlzeit wortwörtlich ein Moment der Energieaufnahme sein. Ganz nebenbei unterstützt bewusstes Kauen und das langsame Essen die Regulierung unserer Sättigung. Unser Körper braucht rund 20 Minuten für ein Sättigungsgefühl, desto bewusster und langsamer wir also essen, desto weniger Nahrung brauchen wir.

ÜBE DICH IM SOCIAL DETOXING

Wenn wir uns mit unseren Gefühlen beschäftigen, besteht die größte Gefahr darin alles zu beurteilen und zu bewerten. Sobald ein „Bad Vibe“ auftaucht, verzagen wir und fragen uns, warum das nun geschehen musste. Wir vergleichen uns mit anderen und werden dabei entweder unzufrieden oder entwickeln ein überzogenes Ego. Beides ist ungesund. Täglich fällen wir unsere Urteile unterbewusst oder werden sogar dazu angehalten, das Leben in Kategorien zu bewerten: „I like“ oder „I dislike“. Davon wegzukommen, ist leichter gesagt, als getan. Eine kleine Hilfe ist es, bewusst darauf zu achten, wie und wann wir etwas spontan bewertet. Natürlich hinterlässt jede zwischenmenschliche Beziehungen ihre Spuren. Dennoch können wir einen Großteil unserer spontanen Reaktionen hinterfragen und uns von Sätzen wie „Zum Glück hat das niemand gesehen“ freimachen. Dabei hilft übrigens auch eine Pause von Instagram & Co.

DIE TÄGLICHE DOSIS EMPATHIE

Unser Urteilsvermögen zu hinterfragen, bedeutet nicht gleichzeitig uns selbst oder anderen weniger Wertschätzung zu schenken. Ganz im Gegenteil. Empathie und achtsame Kommunikation helfen uns gelassener zu reagieren. Versucht zum Beispiel jeden Tag gezielt durch Worte und Gesten die Bemühungen von einem Kollegen, einem Freund oder einem Familienmitglied zu würdigen. Viel zu oft lassen wir uns zudem bei der Kommunikation ablenken, egal ob am Telefon oder live. Computer, Smartphones oder TV sind zusätzliche Störfaktoren. Übt euch im „aktiven Zuhören“. Wenn ihre eurem Gesprächspartner durch Kopfschütteln, Nicken, Ahas oder Mhmms signalisiert, dass ihr ihm zuhört, fokussiert ihr auch eure eigene Aufmerksamkeit auf die Unterhaltung. Zu guter Letzt achtet darauf, wie oft ihr oder andere über jemanden reden, der er nicht anwesend ist. In der Regel interpretieren und bewerten wir andere viel zu häufig in ihrer Abwesenheit und lassen uns von negativen Meinungen anstecken.

Ihr werdet schnell merken, dass die Tipps sich zwar easy anhören, aber jede Menge Konzentration kosten, um sie tatsächlich umzusetzen. Diese Art der Konzentration auf Bedürfnisse, Gefühle und Gewohnheiten ist der Kern der Achtsamkeit. Verliert daher nicht die Geduld, wenn es am Anfang nicht immer klappt und anstrengend ist! Veränderungen brauchen ihre Zeit und leider lauern heutzutage überall Ablenkungen. Ich garantiere euch jedoch, dass ihr bereits mit kleinen Übungen am Tag gedankliche Kettenreaktionen unterbrecht und Situationen, die euch vorher belasteten plötzlich weniger dramatisch empfindet. Von Kränkungen, vergangenen Beziehungen oder verpassten Gelegenheiten gedanklich loszulassen, ist kein Kinderspiel. Vertraut dabei auf den gegenwärtigen Moment. Dann verblassen Stress und negative Gefühle jeden Tag ein Stückchen mehr.